Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - P321
DOI: 10.1055/s-0029-1216180

Elektrophysiologische Korrelate von Verhaltensinhibition und Entscheidungsprozessen bei Patienten mit Störung der Impulskontrolle

H Merz 1, S Karch 1, G Koller 1, P Bouna-Pyrrou 1, E Karamatskos 1, G Leicht 1, C Mulert 1, M Riedel 1, O Pogarell 1
  • 1München

Einleitung: Bei Patienten mit Störung der Impulskontrolle konnten in zahlreichen Studien kognitive Störungen, vor allem im Bereich der exekutiven Fähigkeit beschrieben werden. Ereigniskorrelierte evozierte Potentiale bieten die Möglichkeit diese neuronalen Defizite zu untersuchen (George et al. 2004).

Es wurden mit einem Go/NoGo/Entscheidungs-Paradigma bei alkoholabhängigen-, und ADHS Patienten elektrophysiologische Korrelate von Entscheidungs- und Verhaltenskontrollprozessen untersucht.

Methoden: Bisher wurden 11 stationäre Patienten mit einer diagnostizierten Alkoholabhängigkeit, 11 erwachsene ADHS-Patienten, sowie eben so viele altersgematchte Gesunde in die Studie eingeschlossen. Bei der alkoholabhängigen Patientengruppe wurde das identische Experiment zweimal durchgeführt: die erste Messung erfolgte in intoxikiertem Zustand ca. 24 Stunden nach stationären Aufnahme, die zweite nach dem Entzug.

Das Paradigma umfasst drei verschiedene Anforderungen:

  • Bei „Go“ haben die Studienteilnehmer die Aufgabe, nach einem akustischen Stimulus möglichst schnell mit einem Tastendruck zu reagieren.

  • Bei „NoGo“ sollte nicht reagiert werden (Inhibition).

  • Die Entscheidungs-Bedingung bedeutet die freie Auswahl über Reaktion/nicht Reaktion.

Die Tonkombinationen wurden in pseudorandomisierter Reihenfolge präsentiert.

Die evozierten Potentiale wurden mit einem 32-Kanal-EEG aufgezeichnet (BrainProducts, München). Für die präzisere Beschreibung der Patientengruppe wurden psychopathologische Parameter durch Fragebögen erfasst.

Ergebnisse/Ausblick: Die ersten Auswertungen zeigten, dass die Inhibition von Verhaltenstendenzen und die freie Entscheidung über die Art der Reaktion assoziiert war mit einem negativen Potential nach ca. 200ms (N2). Bei der Entscheidung war die Negativierung stärker ausgeprägt. Daneben zeigte sich im frontzentralen Bereich nach ca. 300ms ein positives Potential (P3), dessen Amplitude bei der NoGo-Bedingung am stärksten ausgeprägt war. Wir erwarten reduzierte N2 und P3 Amplituden sowohl bei den alkoholabhängigen als auch bei den ADHS-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Diese Unterschiede sollten bei alkoholabhängigen Patienten nach der Entgiftung geringer ausgeprägt sein als zuvor. Daneben wird geprüft, ob sich die Veränderungen bei den beiden Patientengruppen auf vergleichbare Generatoren zurückführen lassen. Weiter werden die Einflüsse von Persönlichkeitsvariablen und psychopathologischer Unterschiede auf die neuronalen Korrelate bestimmt.