Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A60
DOI: 10.1055/s-0029-1216079

Welche Mechanismen beenden epileptische Anfälle? – Inhibition oder Erschöpfung?

R Köhling 1
  • 1Rostock

Das wissenschaftliche und auch klinische Augenmerk liegt bei epileptischen Anfällen meist auf den Entstehungsmechanismen – schließlich ist Ziel der experimentellen Bemühungen, neue therapeutische Wege zur Verhinderung von Anfällen wenn nicht der Epileptogenese selbst aufzuzeigen. Wesentlich seltener wird die Ursache der Anfallsbeendigung diskutiert; entsprechend unklar ist bisher, welche Mechanismen Anfälle beenden und welche Mechanismen dazu beitragen, dass sie gegebenenfalls z.B. als Status epilepticus fortbestehen. Im folgenden sollen die Faktoren aufgeführt werden, die als mögliche Ursachen einer Anfallsunterdrückung diskutiert werden. Hinsichtlich intrinsischer, zellulärer Mechanismen sind vor allem Ca2±aktivierte Kaliumströme zu nennen, die aktivitätsbedingt eine Hyperpolarisation und damit Erregungsdämpfung einleiten. Tatsächlich sind bei chronischer Epilepsie Veränderungen dieser Ströme beschrieben worden, die Epileptogenität unterstützen mögen. Hinzu kommt als Hypothese eine Erregungsdämpfung durch Anstiege der extrazellulären Kaliumkonzentration [K+]e, die dazu führen, dass Neurone in einen Depolarisationsblock gelangen und damit refraktär werden; dagegen spricht, dass [K+]e langanhaltend 12 mM erreichen kann, ohne dass Neurone an Aktivität verlieren. Zuletzt werden auf zellulärer Ebene Widerstandsverlust der Membran und ATP-Mangel diskutiert, wobei hiergegen spricht, dass zumindest in vivo die Hirndurchblutung sowie der pO2 bei Anfällen steigt. Hinsichtlich der Netzwerkeigenschaften werden aktivitätsbedingte Ansäuerung (die NMDA-abhängige erregende Transmission reduziert bzw. die Aktivität GABAerger hemmender Neurone anhebt), eine Erschöpfung der Glutamat-Freisetzung und eine allgemeine Steigerung der GABAergen Transmission, wobei letztere unter bestimmten Bedingungen bei chronischer Epilepsie durchaus nicht unbedingt hemmend sein muss, so dass auch hier keine eindeutige Aussage zum Mechanismus getroffen werden kann. Als endogene dämpfende Modulatoren werden vor allem Adenosin, Endocannabinoide und Neuropetid Y diskutiert, die zumindest unterstützend sehr wohl anfallsterminierend wirken können. Insgesamt ist offenbar eine Vielzahl von Mechanismen in die Anfallbeendigung eingebunden, die abhängig von Anfallstyp und Gewebe in unterschiedlichem Maße eingreifen.