Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - V52
DOI: 10.1055/s-0029-1216073

Exzitabilität im motorischen System bei Bewegungsvorstellung und -beobachtung von Fußbewegungen

N Neveling 1, J Liepert 1
  • 1Allensbach

Fragestellung: Durch Vorstellung einer Bewegung wird die Erregbarkeit des motorischen Systems gesteigert. Diese Erkenntnisse stammen v.a. von Untersuchungen der oberen Extremität. Unsere Studie an den unteren Extremitäten sollte klären: Ändert sich durch Vorstellung (MI: motor imagery) einer Dorsalextension des Fusses die motorische Erregbarkeit? Sind die Effekte für rechts und links gleich ausgeprägt? Steigert sich die Exzitabilität bei MI des kontralateralen Fusses? Verändert sich die Exzitabilität im primär motorischen Kortex oder auf spinaler Ebene? Ist MI gleich wirksam wie Bewegungsbeobachtung?

Methoden: Transkranielle Magnetstimulation (TMS) wurde eingesetzt, um mit Einzelreizen die kortikospinale Erregbarkeit zu testen und mit Doppelreizen [Kujirai-Paradigma] die Intrakortikale Inhibition (ICI) und die Intrakortikale Fazilitierung (ICF) im primär motorischen Kortex zu untersuchen. Die spinale Exzitabilität wurde durch F-Wellen-Untersuchungen getestet. Es wurden 12 gesunde Probanden untersucht, die Ableitung erfolgte vom M. tibialis anterior (TA). TMS-Reize wurden appliziert, a) während sich die Probanden eine Dorsalextension des Fusses vorstellten, b) in einer Ruhebedingung. Die Amplituden motorisch evozierter Potentiale (MEP) wurden peak-to-peak bestimmt. F-Wellen wurden durch elektrische Stimulation des N. peronaeus generiert. Die Bewegungsbeobachtung erfolgte mittels einer Videosequenz. TMS-Ergebnisse bei Beobachtung von Dorsalextensionen des Fusses wurden verglichen mit TMS-Ergebnissen während eines Videos, in dem das Bein nicht bewegt wurde.

Ergebnisse: MI führte zu einer signifikanten Steigerung der MEP-Amplitude (203±73% der Ruhebedingung). Diese Fazilitierung war für beide TA identisch (=MI rechts und Ableitung rechts versus MI links und Ableitung links). MI links bei Ableitung vom rechten TA führte zu einer signifikant geringeren Fazilitierung (142±73%). ICI und ICF sowie F-Wellen-Amplituden änderten sich durch MI nicht. MI war signifikant stärker fazilitierend als Bewegungsbeobachtung (145±36%).

Schlussfolgerungen: MI bewirkt an den unteren Extremitäten ähnliche Exzitabilitätszunahmen wie in der Literatur beschriebene Erregbarkeitsänderungen an den oberen Extremitäten und ist stärker erregbarkeitssteigernd als eine Bewegungsbeobachtung. MI einer kontralateralen Fussbewegung steigert die Erregbarkeit nur gering. Die Ergebnisse können relevant für die Rehabilitation von Patienten mit zentralen Beinparesen sein.