Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A10
DOI: 10.1055/s-0029-1216041

Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

M Nitsche 1
  • 1Göttingen

Hintergrund: Die Validität und Stabilität von psychiatrischen Diagnosen nach den aktuellen Klassifikationssystemen wird durch eine Vielzahl von neurobiologischen und neuropsychologischen Studien sowie durch Spontanverlaufsstudien in Frage gestellt. Hierbei zeichnet sich ab, dass die derzeitigen F2- und F3-Diagnosen nach ICD-10 wahrscheinlich jeweils eine pathogenetisch heterogene Gruppe von Krankheitsbildern mit teilweise psychotischen Symptomen umfassen.

Methoden: In einer Reihe von funktionell-bildgebenden Studien wurden vielversprechende intermediäre Phänotypen (Endophänotypen) schizophrener und affektiver Störungen in einem diagnoseübergreifenden und diagnosevergleichenden Ansatz untersucht. Zur Anwendung kamen hierbei spezifische experimentelle Paradigmen, die die gezielte Untersuchung neurofunktioneller Subsysteme des Arbeitsgedächtnisses sowie von kognitiven Kontrollmechanismen gestatten.

Ergebnisse: Es fanden sich sowohl gemeinsame als auch diagnosespezifische neurokognitive und neurophysiologische Auffälligkeiten bei den nach ICD-10 als Schizophrenie oder als bipolare Störung klassifizierten Patientengruppen. Bei beiden Diagnosegruppen fanden sich signifikant gesteigerte Aktivierungen bilateral im dorsolateralen präfrontalen Kortex und im rechten intraparietalen Kortex während der Durchführung von Arbeitsgedächtnisaufgaben sowie Defizite in experimentalpsychologischen Maßen von Verhaltensflexibilität. Diagnosespezifisch für die Schizophreniegruppe waren eine Hyperaktivierung des Nucleus caudatus beidseits während der Durchführung von Arbeitsgedächtnisaufgaben sowie ein Defizit in Prozessen kognitiver Kontrolle, die in die Verarbeitung und Lösung von Antwort-Konflikten involviert sind. Umgekehrt erwies sich eine pathologische Amygdala-Aktivierung auf der Grundlage einer gestörten kortiko-amygdalären Interaktion während der Durchführung einer spezifischen Arbeitsgedächtnisaufgabe als diagnosespezifisch für die Gruppe der Patienten mit bipolarer affektiver Störung.

Schlussfolgerung: Diese Studienergebnisse stellen erste Schritte zu einer Identifizierung von pathophysiologischen Prozessen dar, die als vielversprechende biologische Marker bzw. intermediäre Phänotypen dienen und damit die Entwicklung einer neurowissenschaftlich basierten Klassifikation psychotischer Störungen fördern könnten.