Pädiatrie up2date 2009; 4(4): 375-385
DOI: 10.1055/s-0029-1215335
Gastroenterologie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Differenzialdiagnostik des Erbrechens

Tobias  G.  Wenzl
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Publikationsdatum:
10. Dezember 2009 (online)

Definitionen, Ätiologie, Anamnese und Diagnostik

Definition Erbrechen

Erbrechen nennt man das propulsive, sichtbare Ausstoßen von Mageninhalt aus dem Mund. Im Gegensatz dazu wird das eher passive Zurückfließen von Nahrungsbestandteilen aus dem Magen bzw. Ösophagus als Regurgitation bezeichnet. Gastroösophagealer Reflux (GÖR) ist der Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre, definitionsgemäß nicht unbedingt äußerlich sichtbar. Steigt der GÖR hoch genug, kann er sich als Erbrechen oder Regurgitation äußern.

Ätiologie. Erbrechen ist häufig mit Übelkeit kombiniert, dem Gefühl des bevorstehenden Erbrechens. Es kann durch einen Reflex hervorgerufen werden und wird durch Beteiligung der Muskulatur der Bauchwand und des Zwerchfells ausgelöst. Typische Ursachen der Übelkeit und des Erbrechens entstehen durch gastrointestinale Infektionen, durch Irritationen der Gleichgewichtsorgane („Reisekrankheit”, „Seekrankheit”) mit scheinbar dyskoordinierten Reizen auf das visuelle System, durch parasympathische und sympathische Einflüsse (z. B. Gerüche), Hormone (z. B. Schwangerschaft, Diabetes), vasomotorische Einflüsse (z. B. Migräne), Medikamente (z. B. Chemotherapeutika), Drogen (z. B. Nikotin, Alkohol) und Steigerung des Hirndrucks.

Merke: Erbrechen ist ein im Kindesalter sehr häufiges Symptom, dessen Ursachen von banal bis bedrohlich reichen können.

Anamnese. Wichtig bei der Einschätzung des Krankheitsgrades des Erbrechens sind neben dem Alter des Patienten die Anamnese einschließlich Familien- und Reiseanamnese und der körperliche Untersuchungsbefund. Sie geben entscheidende Hinweise für das weitere differenzialdiagnostische Vorgehen. Die anamnestische Dauer des Erbrechens gibt Hinweise auf eine chronische oder akute Situation, mit genauer Bestimmung eines eventuellen Wechsels von Symptom und Symptomfreiheit. Assoziierte Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber, Diarrhoe, Gewichtsverlust, Wachstumsstörung (Perzentilenkurve!) oder Sodbrennen lassen Rückschlüsse auf die Lokalisation der Ursache des Erbrechens zu. Eine umfassende Ernährungsanamnese ist obligatorisch.

Diagnostik. Frequenz, Quantität und Qualität des Erbrechens (einschließlich Geruch und Farbe) sowie der zeitliche Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme liefern weitere wichtige differenzialdiagnostische Hinweise. Bei der körperlichen Untersuchung steht die Beurteilung des Allgemeinzustandes und des Abdomens im Vordergrund, jedoch sollte stets eine vollständige Untersuchung einschließlich Dokumentation des neurologischen Befundes erfolgen.

Die anstehende Durchführung diagnostischer Methoden, deren Auswahl, Dringlichkeit und Reihenfolge ist wesentlich durch die durch Anamnese und Untersuchungsbefund erhobenen Informationen bestimmt. An eine Laboruntersuchung einschließlich Blutgasanalyse, Elektrolyte, Blutbild und Urinstix schließt sich in aller Regel eine sonografische Untersuchung des Abdomens an. Weitere spezielle Laborparameter sowie bildgebende Verfahren werden ebenso wie die konsiliarische Hinzuziehung weiterer Fachgebiete (z. B. Chirurgie, HNO, Augen), durch die sich aus Anamnese, körperlicher Untersuchung und bisher vorliegenden Befunden ergebende Gesamtbeurteilung bestimmt [1] [2] [3].

Literatur

  • 1 David T J. Vomiting. In: David TJ, Hrsg Symptoms of disease in childhood. Chichester; Blackwell Science 1995
  • 2 Orenstein S R. Vomiting and regurgitation. In: Kliegman RM, Hrsg Practical strategies in pediatric diagnosis and therapy. Philadelphia; Saunders 1996
  • 3 Vandenplas Y, Rudolph C D, Di Lorenzo C. et al . Pediatric gastroesophageal reflux clinical practice guidelines: joint recommendations of NASPGHAN and ESPGHAN.  J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2009;  Sep 9 [epub ahead of print]
  • 4 Wenzl T G. Investigating esophageal reflux with the intraluminal impedance technique.  J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2002;  34 261-268

Priv.-Doz. Dr. med. Tobias G. WenzlFRCPCH 

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
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