Gastroenterologie up2date 2009; 5(3): 177-179
DOI: 10.1055/s-0029-1215106
Klinisch-pathologische Konferenz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zystische versus alveoläre Echinokokkose. Zweiter Kommentar

Joachim  Richter, Dieter  Häussinger
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Publication Date:
28 September 2009 (online)

Sicht des Hepatologen

Hintergrund

Der Mensch wird außer von E. granulosus und E. multilocularis sporadisch auch von den südamerikanischen zoonotischen Spezies E. vogeli und E. oligarthrus befallen. Letztere Spezies verursacht die polyzystische Echinokokkose.

Bei E. granulosus handelt es sich um einen heterogenen Komplex verschiedener Stämme (G1 – G10), die sich unterschiedlicher Zwischenwirte, wie Pferd (E. equinus), Rind (E. ortleppi), Schwein, Wildschwein, Schaf, Ziege, Kamel, Zervide, und Endwirte (nicht nur Hund, sondern auch Fuchs und Wolf) bedienen. Da E. multilocularis wiederum nicht nur vom Fuchs, sondern auch von Hund und Katze übertragen werden kann, ist die Terminologie „Hundebandwurm” vs. „Fuchsbandwurm” eher verwirrend als erhellend. Für epidemiologische Untersuchungen kann die Feststellung des E.-granulosus-Stammes entscheidend sein.

Zystische Echinokokkose

Bedeutung, Inzidenz und Übertragung. Die zystische Echinokokkose ist eine ubiquitäre Erkrankung, die weit über Europa hinaus auftritt. Die Inzidenz nimmt in Zentralasien seit dem Zerfall der Sowjetunion deutlich zu [1]. Infektionen werden in Hochrisikogebieten außer durch direkte Hundekontakte auch durch akzidentellen Verzehr von Tänieneiern, die auf Lebensmittel oder Trinkwasser gelangen, erworben [2] [3] [4] [5] [6] [7]. Sie kann sporadisch auch bei deutschen Patienten, selbst ohne Expositionsanamnese im Ausland, auftreten [8] [9]. Seit die Erkrankung meldepflichtig ist, teilen sich E.-granulosus- und E.-multilocularis-Infektionen, die in Deutschland erworben wurden, im Verhältnis von 1 : 2 bis 1 : 1 auf. [10]. Insgesamt ist für Infektionen durch beide Spezies von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer nicht gemeldeter Infektionen auszugehen [11] [12]. Es ist schwierig, Aussagen über die aktuelle Übertragungssituation zu treffen, da Infektionen eine jahrelange Latenz aufweisen und Echinokokkuszysten lebenslang persistieren können [9] [10] [11] [13]. Andererseits ist mit aktuellen Risiken infolge von weltweiten Transporten von Hunden, Wild- und Zuchttieren zu rechnen, die sich erst nach vielen Jahren in der Statistik humaner Fälle niederschlagen würden [14]. In Einzelfällen kann die Echinokokkose als reisemedizinische Infektion auftreten [15].

Alveoläre Echinokokkose

Prävalenz und Übertragung. Auch bei der alveolären Echinokokkose ist die Ei-Ausscheidung durch den Hund epidemiologisch bedeutsam. Die Infektion im Rahmen lang anhaltender Kontakte mit einem infizierten Haushund zu erwerben erscheint wahrscheinlicher als eine akzidentelle Aufnahme von Eiern aus Fuchskot. Die regelmäßige Entwurmung der Hunde ist daher eine vordringliche hygienischen Maßnahme, gefolgt von Fleischbeschau und Reihenuntersuchungen bei Hunden, Katzen und Zuchtvieh. Da die Prävalenz sowohl bei Füchsen und Mäusen in Deutschland zunimmt, ist bei E. multilocularis mit einer Zunahme menschlicher Fälle zu rechnen [16].

Grundsätzlich können sich Metazestoden von E.-granulosus in allen Organen entwickeln. Über die dargestellten Organlokalisationen hinaus ist ein Befall des Peritoneums, des Herzen, des ZNS oder des Skeletts nicht ungewöhnlich.

Diagnostik und Therapie

Bildgebung. Die Bildgebung ist bei zystischer Echinokokkose entscheidend für die Diagnose und das Staging der Erkrankung. Da serologische Befunde nicht selten „falsch”-negativ ausfallen, wenn der Parasit vom Immunsystem noch nicht detektiert wurde, ist die Morphologie der Zysten diagnostisch entscheidend. Die Darstellung einer gut abgegrenzten, evt. zweischichtigen echogenen Zystenmembran (i. e. Endozystium und Perizystium) ist wegweisend. Eine Arbeitsgruppe der WHO hat 2001 eine Klassifikation von Leberzysten publiziert, die eine stadiengerechte Therapie ermöglichen soll (Abb. [1]) [17] [18] [19] [20].

Abb. 1 WHO-Informal Working Group der Echinokokkose-Klassifikation der Sonomorfologie von Echinokokkus-Leberzysten (CL = Cystic Lesion; CE = Cystic Echinococcosis).

Therapie. Therapeutische Optionen bei der zystischen Echinokokkose umfassen eine kurative Operation unter Albendazolschutz, wobei nach WHO-Empfehlung die Zeit der Vorbehandlung mindestens 24 Stunden betragen muss, die perkutane Punktion, Aspiration, Injektion eines Skolizides (konzentrierter Alkohol) und nachfolgende Re-Aspiration (PAIR) des Zysteninhaltes, und chirugische Maßnahmen [17] [18] [19] [20]. Inaktive Zysten (WHO Stadium CE 4 und 5) bedürfen keiner Therapie.

Eine PAIR kann auch aus diagnostischen Erwägungen indiziert sein. Wenn Häkchen oder Skolizes nicht im Nativpräparat der Zystenflüssigkeit nachgewiesen werden können, kann die Mikroskopie eines Mikrofilters, durch den die Zystenflüssigkeit gefiltert wurde, gelingen [21] (Abb. [2]).

Abb. 2 Leber-Zystenpunktat: Nachweis eines Häkchens von E. granulosus.

Prognose. In der überwiegenden Zahl der Fälle kann die zystische Echinokokkose kurativ behandelt werden. Aufgrund der Rezidivneigung, z. B. bei multiorganischem Befall, kann eine langfristige antihelminthische Therapie erforderlich werden, insbesondere wenn Knochen und Lunge mitbefallen sind. In Anbetracht der Multimodalität der Echinokokkose empfiehlt sich die Einbindung spezialisierter infektiologischer Zentren in das Behandlungskonzept.

Literatur

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Prof. Dr. D. Häussinger

Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie
Heinrich Heine Universität Düsseldorf

Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf

Email: haeussin@uni-duesseldorf.de

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