Gastroenterologie up2date 2009; 5(1): 6-10
DOI: 10.1055/s-0029-1214511
Klinisch-pathologische Konferenz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Multiple gastrointestinale Stromatumoren – Metastasen oder Koinzidenz?

Michael  Majores, Jana  Fassunke, Sabine  Merkelbach-Bruse, Reinhard  Büttner, Eva  Wardelmann
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. März 2009 (online)

Einleitung

Epidemiologie

Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind die häufigsten mesenchymalen Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Die meisten GIST sind im Magen lokalisiert, gefolgt von Manifestationen im Dünndarm [1]. Demgegenüber sind Dickdarm – hier zumeist das Rektum – oder Ösophagus weitaus seltener betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter liegt im 6. und 7. Lebensjahrzehnt. Erkrankungen bei jüngeren Patienten sind demgegenüber seltener [1] [2]. Man rechnet im deutschsprachigen Raum mit ca. 1200 Neuerkrankungen pro Jahr [3].

Pathologie

Pathogenese. Bei den meisten GIST-Tumoren (in 80 – 85 % der Fälle) spielen aktivierende Mutationen im kit-Gen eine wesentliche Rolle [4]. Etwa 5 – 10 % der Tumoren weisen demgegenüber Mutationen im PDGF-Rezeptor-α-(PDGFRA-)Gen auf [5]. Beide Gene kodieren für Rezeptor-Tyrosinkinasen. Wie es zu diesen Mutationen kommt, ist bislang nicht geklärt. Bei dem Großteil der Patienten handelt es sich um sporadische, also erworbene Mutationen, welche nur im Tumorgewebe, jedoch nicht im Normalgewebe nachweisbar sind. Nur sehr selten kommen familiäre GIST-Fälle aufgrund von Keimbahnmutationen vor, des Weiteren treten GIST gehäuft bei Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 auf.

Wachstumsverhalten. GIST werden nur selten im Frühstadium entdeckt. Nicht selten haben die Tumoren zum Diagnosezeitpunkt schon eine beträchtliche Tumorgröße erreicht. Etwa die Hälfte der Patienten weist zum Diagnosezeitpunkt bereits Metastasen auf [6]. Hierbei handelt es sich in etwa 90 % um intraabdominelle Metastasierungswege, hauptsächlich hämatogen in die Leber und kavitär ins Peritoneum. Anders als bei Karzinomen ist eine lymphogene Metastasierung nur in Einzelfällen zu beobachten. Ebenfalls seltene extraabdominelle Metastasen betreffen hauptsächlich Knochen und Lunge. Zur Abschätzung des Metastasierungsrisikos bzw. des Risikos für einen Tumorprogress sind derzeit zwei Risikoklassifikationen (Tab. [1] [2]) etabliert [7] [8] [9]. In diesen wird zum einen die Tumorgröße, zum anderen die Mitoseaktivität des Tumors, in der aktuelleren Miettinen-Klassifikation zudem die Lokalisation berücksichtigt.

Tabelle 1 Klassifikation von GIST bezüglich des aggressiven klinischen Verhaltens (modifiziert nach 7). Tumordurchmesser Mitosezahl Sehr niedrig < 2 cm < 5 / 50 HPF Niedrig 2 – 5 cm < 5 / 50 HPF Intermediär < 5 cm 6 – 10 / 50 HPF 5 – 10 cm < 5 / 50 HPF Hoch > 5 cm > 5 / 50 HPF > 10 cm jede Mitoserate jede Größe > 10 / 50 HPF HPF = High Power Field Tabelle 2 Risiko von Metastasen und tumorassoziierten Todesfällen in Abhängigkeit von der Tumorgröße, der Mitoserate und der Lokalisation (modifiziert nach 9). Tumorparameter Metastasenrisiko und Anteil der Patienten mit progressiver Erkrankung (%) Gruppe Mitosezahl Tumordurchmesser gastrischer GIST jejunaler und ilealer GIST duodenaler GIST rektaler GIST 1 ≤ 5 / 50 HPF ≤ 2 cm kein (0) kein (0) klein (0) kein (0) 2 > 2 bis ≤ 5 cm sehr niedrig (1,9) niedrig (4,3) niedrig (8,3) niedrig (8,5) 3a > 5 bis ≤ 10 cm niedrig (3,6) mittel (24) 3b > 10 cm mittel (12) hoch (52) hoch* (34) hoch (57**) 4 > 5 / 50 HPF ≤ 2 cm 0** 50** keine Daten*** hoch (54) 5 > 2 bis ≤ 5 cm mittel (16) hoch (73) hoch (50) hoch (52) 6a > 5 bis ≤ 10 cm hoch (55) hoch (85) 6b > 10 cm hoch (86) hoch (90) hoch* (86) hoch* (71) * Duodenum und Rektum wurden jeweils bei Gruppe 3a und 3b bzw. Gruppe 6a und 6b entsprechender Lokalisierung zusammengenommen; ** sehr geringe Fallzahlen; *** Tumorkategorie nicht in der Studie vorhanden; HPF = High Power Field

Therapie

Therapeutisch steht bei GIST die chirurgische Entfernung des Tumors an erster Stelle, da eine komplette chirurgische Entfernung (R0-Resektion) den wichtigsten prognostischen Faktor darstellt. Strahlentherapie und Chemotherapie im klassischen Sinne zeigen erfahrungsgemäß keine relevante Ansprechrate bei GIST bzw. kommen nur in bestimmten Situationen zur Anwendung (z. B. Strahlentherapie bei Knochenmetastasen) [10]. Seit einigen Jahren wird eine neue Wirkstoffgruppe erfolgreich zur Behandlung von GIST eingesetzt. Bei diesen sog. Target-Therapien kommen Tyrosinkinase- oder Multikinase-Inhibitoren wie Imatinib (Glivec) und Sunitinib (Sutent) zur Anwendung. Diese blockieren kompetitiv die Bindung von ATP an die kit-Rezeptor-Tyrosinkinase, indem sie sich zielgenau in die Bindungstasche der Tyrosinkinase für ATP einlagern [11] [12].

Molekularpathologische Diagnostik

Eine detaillierte klinisch-pathologische Stadieneinteilung mittels präoperativer Bildgebung und pathologischer Aufarbeitung des Resektionsmaterials ist für das weitere therapeutische Vorgehen von großer Bedeutung. Zusätzlich sind molekularpathologische Untersuchungen zum Nachweis von Mutationen im kit- bzw. PDGFRA-Gen anzuraten und auch von den aktuellen internationalen NCCN- und ESMO-Guidelines zumindest für Intermediate- und High-Risk-GIST empfohlen [13] [14]. Lediglich in etwa 10 % der Fälle sind in beiden Genen keine Mutationen vorhanden oder bleiben mit den derzeit zur Verfügung stehenden molekularbiologischen Methoden unentdeckt.

Klinische Konsequenzen. Neben der prognostischen Bedeutung für die Tumorbiologie besitzt die Mutationsanalyse auch eine prädiktive Relevanz bezüglich der Ansprechrate und der erforderlichen Dosierung der Therapie mit Imatinib. Die molekularbiologische Charakterisierung bei mehreren Tumormanifestationen kann zudem entscheidende Hinweise darauf geben, ob Metastasen oder mehrere synchrone GIST vorliegen. Da zum Diagnosezeitpunkt bereits etwa die Hälfte der GIST metastasiert hat, sind mehrere Tumormanifestionen keine Seltenheit. Die Unterscheidung zwischen Metastasen und der Koinzidenz unabhängiger Tumoren ist naturgemäß vor allem bei wenigen Läsionen für das weitere therapeutische Vorgehen von zentraler Bedeutung.

Anhand der hier vorgestellten Kasuistik werden die Möglichkeiten der molekularpathologischen Diagnostik insbesondere zur Unterscheidung einer Metastasierung von koinzidenten GIST diskutiert.

Literatur

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Dr. med. Michael Majores

Institut für Pathologie
Universitätsklinikum Bonn

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