Krankenhaushygiene up2date 2009; 4(1): 7
DOI: 10.1055/s-0029-1214451
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Dekontamination von Oropharynx und Magen-Darm-Trakt

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Publication Date:
09 March 2009 (online)

de Smet AM, Kluytmans JA, Cooper BS et al. Decontamination of the digestive tract and oropharynx in ICU patients. N Engl J Med 2009; 360: 20 – 31

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert beschäftigten sich Publikationen mit dem Nutzen einer selektiven digestiven bzw. oral-pharyngealen Dekontamination (SDD bzw. SOD) durch die bukkale bzw. gastrale Applikation von nicht resorbierbaren Antibiotika. Durch SDD bzw. SOD sollte die Rate nosokomialer Pneumonien durch gramnegative Keime und Pilze reduziert werden. Seither hat es eine Vielzahl von Studien zu diesem Thema gegeben, ohne dass sich daraus eindeutige Empfehlungen für die klinische Praxis ableiten ließen. De Smet et al. haben nun die Ergebnisse der größten multizentrischen randomisierten Studie zu diesem Thema publiziert.

Auf 13 niederländischen Intensivstationen wurden insgesamt 5939 Patienten in 3 Gruppen randomisiert: eine SDD-Gruppe, die 4 Tage Cefotaxim i. v. und Tobramycin, Colistin und Amphotericin B bukkal und gastral für die Dauer des Intensivaufenthaltes erhielt, eine SOD-Gruppe mit Tobramycin, Colistin und Amphotericin B bukkal für die Dauer des Intensivaufenthaltes und als drittes eine Kontrollgruppe. Die 28-Tage-Mortalität betrug in der Kontrollgruppe 27,5%, in der SDD-Gruppe 26,9% und in der SOD-Gruppe 26,6%. Wegen der großen Teilnehmerzahl in der Studie war dieser eher geringe Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit statistisch signifikant. Die Ergebnisse von de Smet et al. ergeben, dass mit SDD 26 und mit SOD 34 Patienten behandelt werden müssen, um einen Todesfall zu verhindern. Eine vermehrte Antibiotikaresistenz wurde nach SDD und SOD nicht beobachtet. Die täglichen Kosten betrugen ca. 1 $ pro Patient für die SOD und ca. 12 $ für die SDD. Bei nur geringen Outcome-Unterschieden zwischen SDD und SOD folgern die Autoren, dass eher eine SOD als eine SDD durchgeführt werden sollte.

Fazit: Als Leser dieser Studie sollte man berücksichtigen, dass die Studie in den Niederlanden durchgeführt wurde, einem Land mit einer extrem niedrigen MRSA-Rate und sehr geringen Raten an multiresistenten gramnegativen Keimen. Ob die Durchführung von SDD und SOD bei dem beobachteten, insgesamt nur geringen Outcomeeffekt, auch in Ländern mit höheren Resistenzraten Sinn macht, bleibt fraglich.

Prof. Dr. Hans-Georg Bone, Recklinghausen

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