Klin Padiatr 2009; 221 - A96
DOI: 10.1055/s-0029-1214349

Antenatales Bartter-Syndrom als seltene Ursache einer Nephrokalzinose

H Mittenzwey 1, F Neuwinger 1, R Nissel 1, R Germann 1, J Kühr 1
  • 1Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Städtisches Klinikum Karlsruhe

Hintergrund: Das antenatale Bartter-Syndrom, auch als hereditäre Salzverlusttubulopathie vom Furosemid-Typ bezeichnet, ist gekennzeichnet durch Hypokaliämie, Alkalose, Hyperreninismus, Hyperplasie des juxtaglomerulären Apparates und Hyperaldosteronismus bei normalem Blutdruck. Eine gesteigerte Kalziumausscheidung führt zur Nephrokalzinose. Ursache der Erkrankung ist eine defekte Chloridresorption in der Henleschen Schleife mit sekundär erhöhter Prostaglandin-E2-Synthese. Molekulargenetisch finden sich u.a. Mutationen im NKCC2-Gen (Na+K+2Cl- Cotransporter) (1). Das Auftreten von Polyhydramnion und Frühgeburtlichkeit ist typisch. Kasuistik: Wir berichten von einem 4-jährigen Jungen, bei dem während einer Routineuntersuchung eine medulläre Nephrokalzinose auffiel. Anamnestisch bedeutend sind ein Polyhydramnion und Frühgeburtlichkeit, sowie eine seit mehreren Monaten bestehende Polydipsie (ca. 3 Liter pro Tag) und Polyurie. Laborchemisch fielen eine Alkalose, eine Hyperkalziurie und erhöhte PGE2- und PGE-M-Ausscheidung im Urin auf. Im Exon 11 des SLC12A1-Gens (NKCC2) konnten zwei heterozygote Mutationen (A515S und A510D) nachgewiesen werden, die die Diagnose eines antenatalen Bartter-Syndroms Typ I bestätigten. Unter oraler Kaliumsubstitution und Therapie mit einem Cyclooxygenasehemmer sind ein ausgeglichener Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt, eine Normokalziurie sowie ein Rückgang der täglichen Trinkmenge zu verzeichnen. Zusammenfassung: Die späte Diagnose legt den Verdacht auf eine milde Verlaufsform der vermutlich antenatal begonnenen Erkrankung nahe. Beide Eltern sind Träger einer genetischen Anlage zum Bartter-Syndrom. Bei der Mutation eines Elternteils (A515S) handelt es sich nach aktueller Datenbankrecherche um einen bisher nicht beschriebenen Gendefekt. Der Fall weist darauf hin, dass eine hereditäre Tubulopathie als seltene Ursache einer unklaren Nephrokalzinose auch bei älteren Kindern differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen ist.

[1] Simon, D.B. et al: Bartter's syndrome, hypokalemic alkalosis with hypercalciuria, is caused by mutations in the Na-K- 2Cl cotransporter NKCC2. Nature Genet.13: 183–188, 1996.