Klin Padiatr 2009; 221 - A9
DOI: 10.1055/s-0029-1214262

Klinik und Genetik neuronaler Migrationsstörungen

U Hehr 1, G Uyanik 2, J Winkler 3
  • 1Zentrum und Institut für Humangenetik, Universität Regensburg, Regensburg
  • 2Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
  • 3Abteilung für Molekulare Neurologie, Universität Erlangen, Erlangen

Neuronale Migrationsstörungen resultieren in einem Spektrum spezifischer kortikaler Fehlbildungen, welche durch das Auftreten von Epilepsien sowie Entwicklungsverzögerungen charakterisiert sind. Im MRT werden die klassische Lissenzephalie/subcortikale Bandheterotopie (Typ I), „Pflasterstein“-Lissenzephalie (Typ II) sowie Heterotopien der grauen Substanz unterschieden.

Wir berichten hier über die Untersuchung von mehr als 400 unabhängigen Patienten mit Migrationsstörungen, welche unter Verwendung einer Phänotyp-basierten individuellen molekulargenetischen Analyse von insgesamt 11 Genen für ca. 30% der Patienten einen Mutationsnachweis ermöglicht.

LIS1-Mutationen sind mit einer dorsal betonten Lissenzephalie Typ I assoziiert. DCX-Mutationen resultieren bei Knaben in einer frontal betonten Gyrierungsstörung, bei weiblichen heterozygoten Anlageträgerinnen in einem eher frontal betonten Double Cortex. Für Träger einer ARX-Mutation wird ein breites Spektrum vom frühletalen XLAG-Syndrom über eine X-chromosomale Form des WEST-Syndroms bis zur mentalen Retardierung ohne strukturelle Hirnfehlbildungen beobachtet. Patienten mit einer „Pflasterstein“-Lissenzephalie weisen häufig zusätzlich eine Kleinhirnhypoplasie, kongenitale Muskeldystrophie und Augenanlagestörungen auf. Das Spektrum von POMT1-assoziierten Erkrankungen reicht vom frühletalen Walker-Warburg-Syndrom bis zu einer distinkten Form der congenitalen Muskeldystrophie mit cognitivem Defizit (LGMD2K). Für Patienten mit POMGnT1-Mutationen fanden wir keinen Hinweis auf eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation.

Die molekulargenetische Diagnostik bei Patienten mit einer Migrationsstörung unterstützt heute nicht nur die differentialdiagnostische Abklärung sondern ist auch die Voraussetzung für eine individuelle Beratung der Familie.