Klin Padiatr 2009; 221 - A5
DOI: 10.1055/s-0029-1214258

Verzögerte Sprachentwicklung bei der U7– sensibler Indikator für die allgemeine Entwicklung. Ergebnisse aus der Heidelberger Sprachentwicklungsstudie

A Buschmann 1, B Jooss 1, J Pietz 1
  • 1Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung Neuropädiatrie, Sozialpädiatrisches Zentrum

Einleitung: Mit einer Prävalenz von 13–20% gehören Verzögerungen in der Sprachentwicklung zu den häufigsten Entwicklungsauffälligkeiten im Kleinkindalter. Ob für diese Kinder ein Risiko für die weitere Entwicklung besteht und deshalb eine Frühidentifikation erforderlich ist, wird momentan vielfach diskutiert. Grundlage der Kontroverse ist die Tatsache, dass es einem Teil der Kinder gelingt, den sprachlichen Rückstand spontan aufzuholen, während andere längerfristig Schwierigkeiten im Spracherwerb aufweisen. In der Diskussion weitgehend unberücksichtigt bleibt der Fakt, dass die Gruppe der sprachentwicklungsverzögerten Kinder sehr heterogen ist, da Verzögerungen im Spracherwerb sowohl isoliert als auch im Rahmen von Primärerkrankungen (z.B. allgemeine Entwicklungsretardierung, tiefgreifende Entwicklungsstörung) auftreten können.

Methode: 100 zweijährige Kinder – bei der U7 anhand des ELFRA-2 als sprachentwicklungsverzögert identifiziert – wurden ausführlich differenzialdiagnostisch hinsichtlich ihrer sprachlichen und nonverbalen kognitiven Fähigkeiten untersucht. Desweiteren erfolgten eine pädaudiologische und eine neurologische Untersuchung.

Ergebnisse: Nur bei 61% der Kinder bestätigte sich der Anfangsverdacht einer isolierten Beeinträchtigung in den sprachproduktiven Fähigkeiten. 18% der Kinder wiesen zusätzlich leichte bis deutliche Beeinträchtigungen in den nonverbalen kognitiven Fähigkeiten auf, weitere 4% erfüllten die Kriterien eines frühkindlichen Autismus.

Schlussfolgerung: Aufgrund dieser Ergebnisse kann die „Wait-and-See“ Strategie bei einer verzögerten Sprachentwicklung nicht ohne Bedenken empfohlen werden. Ein verzögerter Sprechbeginn kann Ausdruck verschiedener Entwicklungsprobleme sein. Für eine adäquate Beratung der Eltern und die Einleitung einer störungsspezifischen Therapie ist eine umfassende Differenzialdiagnostik notwendig. Ein pragmatisch-diagnostischer Prozess wird vorgeschlagen.