Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2009; 16(1): 8
DOI: 10.1055/s-0029-1213782
Journal-Club

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Höhenmedizin - Wie viel oder wie wenig Sauerstoff braucht der Mensch?

Further Information

Publication History

Publication Date:
13 March 2009 (online)

 

Grocott MP, Martin DS, Levett DZ et al. for the Caudwell Xtreme Everest Research Group. Arterial blood gases and oxygen content in climbers on Mount Everest. N Engl J Med 2009; 360: 140-149

Thema: Höhenbergsteigen nimmt einen immer größeren Stellenwert in der breiten Palette des Bergsports ein. Immerhin erreichten bis 2006 8 184 Personen einen Gipfel über 8 000 m Höhe. Bei diesen Unternehmungen starben insgesamt 668 Personen (8,2 %), knapp 200 davon an der Höhenkrankheit [1].

Projekt: Im Jahr 2007 unternahm die Caudwell Xtreme Everest Research Group eine Forschungsexpedition zum Mount Everest mit dem Ziel Blutgasanalysen zur Bestimmung der Sauerstoffversorgung des menschlichen Körpers in extremen Höhen (Gipfelhöhe des Mount Everest 8 848 m) durchzuführen. Diese Analysen wurden bisher nur in Simulationen durchgeführt. So wurde etwa bei den Studien der "Operations Everest II and III" der "Aufstieg" auf den Mount Everest in Unterdruckkammern simuliert. Außerdem wurde 1981 bei einem einzigen Bergsteiger auf dem Gipfel des Mount Everest der endexpiratorische Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt gemessen [2].

In der vorgestellten Studie wurden in 8 400 m Höhe arterielle Blutproben abgenommen und in einem Labor auf 6 400 m Höhe analysiert. Wetterbedingt konnten die Proben nicht wie geplant auf dem Gipfel abgenommen werden. Alleine die Punktion der Femoralarterie unter diesen Umweltbedingungen verdient eine besondere Erwähnung. Alle 10 Probanden der Studie bestiegen den Mount Everest unter Zuhilfenahme von zusätzlichem Flaschensauerstoff, wie übrigens die meisten Everestbesteiger. Nur 4 % erreichen diesen Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff. Die Arterien wurden während des Abstiegs punktiert, nachdem die Probanden mindestens 20 Minuten Umgebungsluft geatmet hatten, sodass jeglicher Zusatzsauerstoff ausgeschwemmt war.

Ergebnisse: Bis in eine Höhe von 7 100 m kann der menschliche Körper durch eine genügend lange Akklimatisation den Gesamtsauerstoffgehalt im Blut recht konstant halten (Abb. [1]). Der arterielle Sauerstoffpartialdruck reduziert sich in etwa parallel zur Abnahme des umgebenden Luftdrucks. Der Abfall der Sauerstoffsättigung wird durch eine Verschiebung der Sauerstoffbindungskurve kompensiert. Durch eine Hämoglobinerhöhung kann der Körper den Gesamtsauerstoffgehalt aufrechterhalten. Der konstante Sauerstoffgehalt erklärt also nicht die deutliche Reduktion des maximalen Sauerstoffverbrauchs (30-35 % in 5 300 m Höhe) [2] und der körperlichen Belastbarkeit in diesen Höhen. Auffallend war auch eine erhöhte alveolär-arterielle Differenz des Sauerstoffpartialdrucks. Dies könnte auf ein unterschwelliges Höhenlungenödem oder eine funktionelle Diffusionseinschränkung hinweisen.

Abb. 1 Blutgasanalyse auf 8 400 Metern.

Fazit: Die Gipfelhöhe des Mount Everest scheint in etwa die Maximalhöhe der Anpassungsfähigkeit des Menschen zu sein. Bei einem - allerdings kurzen - Aufenthalt in dieser Höhe entstehen nach erfolgter Akklimatisation wahrscheinlich keine dauerhaften Schäden. Im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung kritisch kranker Patienten erweisen sich viele Maßnahmen zur Verbesserung der Gewebeoxygenierung als wenig hilfreich. Die Bestimmung der maximalen Hypoxietoleranz kann also auch für die Behandlung kritisch kranker hypoxischer Patienten von Bedeutung sein.

Bild: Susan Schneider

Dr. Jörg Schneider, München

Literatur

  • 01 Eguskitza J . Sociedad Española de Medicina y Auxilio en Montaña (SEMAM ). Data until 2006. 
  • 02 West JB . Hackett PH . Maret KH . et al . Pulmonary gas exchange on the summit of Mount Everest.  J Appl Physiol. 1983;  55 678-687
    >