Der Nuklearmediziner 2009; 32(2): 99-100
DOI: 10.1055/s-0029-1202846
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

W. Brenner 1
  • 1Klinik für Nuklearmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Juni 2009 (online)

Im medizinischen Alltag hat sich die Positronenemissionstomografie (PET) mit Fluor-18-Fluordeoxyglukose (FDG), nicht zuletzt dank der zunehmenden Verfügbarkeit von PET/CT-Kombinationsgeräten, in den letzten Jahren insbesondere in der onkologischen Diagnostik etabliert und sich zu einem ernst zu nehmenden Standard neben den rein morphologisch orientierten bildgebenden Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) entwickelt. Dass sich diese Entwicklung in Deutschland – gesundheitspolitisch gelenkt – bisher nur sehr zögerlich in einer Anerkennung der FDG-PET als ambulante Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beim kleinzelligen und nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom widerspiegelt, steht dabei nicht im Widerspruch zur Bedeutung der PET für die Medizin allgemein, wie ein Blick in die Indikationslisten anderer europäischer Länder und der USA zeigt. Auch belegen aktuelle Publikationen, basierend auf den umfangreichen Daten des National Oncologic PET Registry (NOPR) in den USA, den Stellenwert der FDG-PET. Die politische Dimension der Anerkennung der PET als ambulante Leistung in der GKV zeigt sich aber auch in der nahezu über Nacht geschaffenen Möglichkeit zur Abrechenbarkeit der Fluorid-PET als vorübergehende GKV-Leistung alternativ zur Skelettszintigrafie mit Tc-99 m-markierten Bisphosphonaten während des weltweiten Molybdän-99- bzw. Tc-99 m-Engpasses. Diese gesundheitspolitische Entscheidung zum Wohle unserer Patienten lässt hoffen, dass auch zukünftig in der GKV vermehrt zu Gunsten der Patienten entschieden wird. Den großen Nutzen der FDG-PET für unsere Patienten noch besser zu belegen sowie verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren, muss daher die vordringliche und gemeinsame Aufgabe aller unserer berufspolitischen Organe und nuklearmedizinischen Gesellschaften sein.

Dass jedoch neben FDG eine Vielzahl weiterer und nicht nur F-18-markierter Tracer klinisch zur Verfügung steht, die bereits heute in vielen PET-Zentren routinemäßig eingesetzt werden, wie zum Beispiel C-11- oder F-18-markiertes Cholin beim Prostatakarzinom oder Gallium-68-markierte Somatostatinrezeptorliganden bei neuroendokrinen Tumoren, ist bei potenziellen Zuweisern häufig nicht ausreichend bekannt. Dies wird unterstützt durch die Tatsache, dass es sich eingebürgert hat, dass in Analogie zur CT oder MRT ganz allgemein von „der PET” gesprochen wird, unabhängig vom Tracer. Dies behindert das Bekanntwerden anderer Tracer und das Verständnis für die vielfältigen Möglichkeiten der PET in Abhängigkeit vom eingesetzten Radiopharmakon. Diese teils weniger bekannten, aber schon relativ häufig eingesetzten PET-Tracer und ihre Anwendungsgebiete, ihren klinischen Stellenwert, aber auch ihre Grenzen und Limitationen darzustellen, ist Ziel des vorliegenden Themenheftes „Nicht-FDG-PET”.

Dabei finden sowohl weit verbreitete Tracer wie F-18-Cholin beim Prostatakarzinom als auch nur von einzelnen Zentren verwendete Tracer wie F-18-DOPA bei neuroendokrinen Tumoren oder I-124 beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom Berücksichtigung. Ebenso werden Tracer zur funktionellen Gewebecharakterisierung auf molekularer Ebene wie beispielsweise F-18-Fluorothymidin (FLT) als Proliferationsmarker oder F-18-Misonidazol zur Messung der Gewebehypoxie näher vorgestellt. Neben dem Schwerpunkt Onkologie sind aber auch Beiträge zur kardialen Bildgebung mittels PET sowie ganz aktuell zur Plaquebildgebung bei Demenzerkrankungen vertreten.

All den hier vorgestellten Tracern haftet das Problem an, dass ihr Einsatz entweder auf Studiensituationen limitiert oder weitgehend auf PET-Zentren mit eigener Radiochemie beschränkt ist, die diese Tracer aufgrund der fehlenden Zulassung nach dem deutschen Arzneimittelgesetz (AMG), das auch die Herstellung und Anwendung von radioaktiven Tracern regelt, nur im Rahmen der In-House-Produktion einsetzen können. Damit können diese Tracer in der Regel nicht wie FDG oder andere nuklearmedizinische Kits einfach im Rahmen einer Umgangsgenehmigung eingekauft und angewendet werden. Den gesetzlichen Grundlagen sowie den zunehmend komplexen Anforderungen zur Erlangung einer Herstellungserlaubnis für die gesetzeskonforme In-House Produktion der Tracer ist der einleitende Beitrag zu diesem Themenheft gewidmet.

Die Problematik der fehlenden Zulassung bedingt natürlich auch Probleme im Rahmen der Kostenerstattung für die jeweilige Untersuchung. Hier wären prospektive Multicenterstudien oder, nach dem Vorbild des National Oncologic PET Registry in den USA, zentral erfasste und ausgewertete prospektive Studien möglichst im direkten Vergleich zur jeweiligen non-PET-Standarddiagnostik hilfreich, die die Daten zur Anwendung eines Tracers bei allen damit untersuchten Patienten erfassen. So könnten die erhobenen Daten zum Nachweis der Sicherheit und des Nutzens eines PET-Tracers sowohl für die arzneimittelrechtliche Zulassung als auch für die Kostenerstattung in der GKV herangezogen werden. Erste derartige Ansätze finden sich zum Beispiel in der angestrebten Zulassung von F-18-Cholin beim Prostatakarzinom, in Multicenterstudien wie beispielsweise zu F-18-Fluorethyltyrosin bei kindlichen Hirntumoren oder in der Bemühung um Anerkennung neuer Indikationen für FDG-PET in Zusammenarbeit mit einigen gesetzlichen Krankenkassen. Diese Ansätze sind aber immer noch die Ausnahme und nicht die Regel. Hier besteht großer Bedarf für deutschlandweite konzertierte Aktionen zur Zulassung von neuen PET-Tracern bzw. zur Anerkennung als GKV-Leistung.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass aufgrund eines Heftausfalls für das vorliegende Themenheft, das ursprünglich erst für das Jahr 2010 geplant war, ein zeitlich begrenzter Rahmen vorgegeben war. Umso mehr möchte ich mich bei allen Autoren sehr herzlich dafür bedanken, dass sie trotz dieser erschwerten Bedingungen zu diesem Themenheft über den gegenwärtigen Stand der klinischen Anwendungen und der aktuellen Studienergebnisse von gängigen Nicht-FDG-PET-Tracern beigetragen haben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Winfried Brenner

Klinik für Nuklearmedizin

Charité – Universitätsmedizin Berlin

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