Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(4): 196-201
DOI: 10.1055/s-0028-1119445
Meldungen und Meinungen

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Inzidenz der Legionellose – echter Anstieg oder Artefakt?

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Publication Date:
27 January 2009 (online)

Neil K, Berkelman R. Increasing incidence of legionellosis in the United States, 1990-2005: Changing Epidemiologic Trends. Clin Infect Dis 2008; 47: 600 – 602

Die Autoren von der Emory University in Atlanta, Georgia haben 24 000 Fälle ambulant sowie nosokomial erworbener Legionellosen analysiert, die zwischen 1990 und 2005 im Rahmen der Meldungen an die nordamerikanischen Centers for Disease Control (CDC) übermittelt wurden. Dabei war ein Anstieg von 1310 Fällen in 2002 auf 2323 Fälle in 2003 (ca. 70 %) zu verzeichnen, wobei die Zahl von 2003 bis 2005 sogar um 2000 Fälle pro Jahr zunahm. Auffällig war die jahreszeitliche Abhängigkeit, vor allem an der Ostküste: Die meisten Fälle traten im Sommer und Herbst auf.

Die Autoren gehen von einer massiven Unterschätzung der tatsächlichen Inzidenz aufgrund des „passiven” Meldesystems aus: So könnten bis zu dreiviertel der Fälle entweder undiagnostiziert oder auch diagnostiziert, aber nicht gemeldet, worden sein. Inwieweit der beobachtete massive Anstieg durch Verbesserung und Intensivierung der diagnostischen Methoden verursacht wurde, konnte nicht eindeutig beantwortet werden. In einem begleitenden Editorial [Clin Infect Dis 2008; 47: 600 – 602] weisen die Autoren an Hand eigener Erfahrungen auf einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Häufigkeit durchgeführter Legionellentests und der zeitlich vorangegangenen Häufigkeit von diagnostizierten Legionellosen im Sinne einer positiven „feed back-Schleife” bei den behandelnden Ärzten hin. Anders formuliert: Je mehr Fälle in letzter Zeit festgestellt wurden, umso eher neigt man als Arzt dazu, den entsprechenden Test durchzuführen. Dennoch wurde nur ein kleiner Teil des Anstieges einer vermehrten Diagnostik zugeschrieben.

Schon früher wurde über einen Zusammenhang zwischen Wetter und Häufigkeit von Legionellosen diskutiert. Die aktuell beschriebenen Daten machen eine langfristige Korrelation mit der Häufigkeit von Regenfällen weniger wahrscheinlich. Doch auch wenn keine signifikante Korrelation zwischen der monatlichen Inzidenz von Legionellosen und der monatlichen Regenmenge aus den Daten ableitbar ist, konnte in einer anderen Untersuchung eine eher kurzfristige Assoziation zwischen Legionellosehäufigkeit und Regenintensität in den 6 – 10 Tagen vor dem Auftreten der Erkrankungen festgestellt werden [J Infect Dis 2005; 192: 2066 – 2073]. Die aktuell zu beobachtenden Klimaveränderungen könnten also durchaus bei einer Erkrankung mit Reservoir in der (Wasser)-Umgebung, wie eben der Legionellose, eine Rolle spielen.

Ein weiteres Ergebnis widerspricht der weit verbreiteten Einschätzung, dass die Legionärskrankheit überwiegend ältere Menschen betrifft: So wurden seit dem Jahr 2000 die meisten Fälle bei den 45- bis 64-Jährigen festgestellt. Im Gegensatz dazu dominierte die Gruppe der über 65-Jährigen in den Jahren vor 2000.

Fazit: Die Autoren weisen auf die bisher eher unterschätzte Bedeutung von Legionella spp. als Erreger von Pneumonien aller Altersgruppen hin. Die vorherrschende Einschätzung, dass die Legionärserkrankung überwiegend ältere Menschen betrifft, könnte zu einer bevorzugten Diagnostik nur bei älteren Patienten und damit zu übersehenen Fällen bei Kindern und jungen Erwachsenen führen. Auch wenn in den bisherigen Meldungen pädiatrische Fälle nur ungefähr 1 % repräsentieren, sollte bedacht werden, dass in den amerikanischen pädiatrischen Richtlinien Legionellosen in der Differenzialdiagnostik nicht berücksichtigt werden. Da klinische Kriterien keine hinreichende Unterscheidung zwischen Pneumonien verursacht durch Legionellen oder solchen durch andere Erreger ermöglichen, empfehlen die Autoren, Legionellosen in der Differenzialdiagnose aller Patienten, unabhängig vom Alter, mit zu berücksichtigen. Dies gelte besonders für immunsupprimierte Patienten, solchen mit Reisen in der Vorgeschichte, besonders wenn diese Reisen mit Hotelaufenthalten oder Aufenthalt auf Kreuzfahrtschiffen verbunden waren, oder auch bei möglicher Exposition zu legionellenhaltigen Aerosolen, wie sie durch Whirlpools oder Zierspringbrunnen entstehen können. Eine Legionellendiagnostik sollte in jedem Fall bei ambulant erworbener Pneumonie mit schwerem Verlauf bzw. bei Notwendigkeit einer Intensivtherapie, bei Versagen einer auswärts begonnenen Antibiotikatherapie, bei Alkoholkrankheit, bei Nachweis eines Pleuraergusses sowie im Rahmen einer Ausbruchssituation mit Legionellen durchgeführt werden. Nach Ansicht der Autoren sollten Kriterien für eine Legionellosediagnostik bei Pneumonien in der pädiatrischen Altersgruppe entwickelt werden.

Dr. med. Thomas Hauer, Freiburg

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