Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(4): 297
DOI: 10.1055/s-0028-1103474
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

DART – ein Pfeil ins Nichts?

Heinz-Michael  Just
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Publication Date:
29 December 2008 (online)

Am 18. November fand in Berlin auf Einladung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt der erste Europäische Antibiotikatag statt, eine Initiative des Europäischen Parlaments und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Auf diesem in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veranstalteten Symposium wurde die kurz zuvor vom Kabinett verabschiedete „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie” (DART) vorgestellt, deren zentrales Ziel die Reduzierung und Verminderung der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen in Deutschland ist (www.bmg. bund.de). Neben den Landesärzte- und Landestierärztekammern sind in dem Papier 67 weitere Kooperationspartner (Fachgesellschaften, Institutionen, Gremien) aufgeführt, womit wohl das Bemühen deutlich werden soll, alle Beteiligten und Betroffenen in die Aktion einzubinden.

Die Planung erstreckt sich bis zum Jahr 2013 und umfasst neben dem Aufbau eines Datenpools zu Antibiotikaresistenzen aus dem stationären und ambulanten Bereich auch entsprechende Analysen zum Antibiotikaverbrauch. Bestehende Leitlinien von Fachgesellschaften zum sinnvollen Einsatz von Antibiotika (bei Mensch und Tier) sollen integriert und ergänzt werden; erwähnt werden hier auch die KRINKO-Empfehlungen für infektiologisch sichere Arbeits- und Verhaltensweisen. In diesem Zusammenhang wird besonders die Notwendigkeit der Durchführung wie auch einer „Verbesserung der Diagnostik bakterieller Infektionserreger und ihrer Antibiotikaresistenz im Hinblick auf Umfang, Qualität und Schnelligkeit” betont.

Die erhobenen Daten sollen nicht nur direkt mit den Betroffenen rückgekoppelt, sondern zentral erfasst und ausgewertet werden, zunächst auf nationaler Ebene, danach aber auch EU-weit, mit dem Ziel eines Frühwarnsystems für gefährliche Infektionserreger. Für die Umsetzung dieser Meilensteine sollen am Robert-Koch-Institut zwei neue Gremien geschaffen werden, zum einen eine „Kommission für Antibiotika-Therapie”, zum anderen ein „Zentrum zur Verhütung und Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen.

Dieses Strategiepapier überrascht in mehrerlei Hinsicht: Erstens wird endlich die Ursache der Resistenzbedrohung öffentlich benannt, nämlich der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika in der Human- aber auch der Veterinärmedizin. Zweitens wird der ambulante Bereich in die Planung integriert (nicht wie bislang nur stationäre Einrichtungen) und die Veterinärmedizin in die Pflicht genommen. Drittens wird die Diagnostik als unumgängliche Voraussetzung für einen gezielten Einsatz von Antibiotika beim Menschen betont und viertens wird der Eindruck erweckt, das Ganze sei nicht nur wissenschaftlich fundiert (Fachgremien, Kommissionen), sondern erhielte auch das notwendige Maß an Verbindlichkeit (BMG, ÖGD).

Also ein revolutionärer Schritt in die richtige Richtung? Die Podiumsdiskussion am Ende der Veranstaltung beendete alle Illusionen. Denn unklar blieb, wie sicher gestellt werden soll, dass die erhobenen Daten, insbesondere aus dem ambulanten Bereich, valide und belastbar sind. Schon für die Surveillance in Krankenhäusern, von geschulten Mitarbeitern durchgeführt, ist dies schwierig zu gewährleisten. Wie wird die Diagnostik im ambulanten Bereich sichergestellt und wer bezahlt sie? Das BMG stellte klar, dafür gebe es kein zusätzliches Geld. Kein niedergelassener Arzt macht aber, bei ohnehin schon zu knappem Budget, eine solche zusätzliche Diagnostik! Ohne diese Diagnostik aber keine Daten für den Pool! Ohne diese Daten aber keine Auswertung und damit keine Arbeitsgrundlage für die neuen Gremien. Doch wieder nur für die Krankenhäuser? Dann sind die geplanten und zum Teil bereits in Aufbau befindlichen regionalen Netzwerke sinnlos.

Es wäre schade, wenn dieses Vorhaben wie eine Seifenblase zerplatzen würde. Es liegt in der Hand aller Beteiligten, dies zu verhindern und damit der realen Gefahr vorzubeugen, dass wir bald Infektionserregern wieder so machtlos ausgeliefert sind wie vor der Entdeckung des Penicillins.

Andere europäische Staaten haben dafür Geld (z. B. Belgien) – und nicht nur für Banken und Automobilkonzerne!

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