Klin Padiatr 2009; 221(1): 48
DOI: 10.1055/s-0028-1102921
Kurzmitteilung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Cava-inferior-Thrombose als Komplikation nach Tonsillektomie bei Azygos-Kontinuität

Thrombosis of Inferior Vena Cava Complicating Tonsillectomy in a Case of Azygos ContinuationR. Ulreich, L. Pascale, R. Moser, M. Uggowitzer, R. Kerbl
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Januar 2009 (online)

Wir berichten über eine zuvor gesunde 17-jährige Patientin, bei der eine Thrombose der unteren Hohlvene und beider Iliakalvenen duplexsonografisch diagnostiziert und phlebografisch sowie mittels MRT ([Abb. 1]) verifiziert wurde. Die weitere Bildgebung ([Abb. 2], [3], [4]) zeigte eine kongenitale Azygos-Kontinuität mit Fehlen der V. cava inferior (ACVI - absence of vena cava inferior) als prädisponierende Gefäßanomalie.

Abb. 1 Die MRT-Untersuchung (T1-gewichtet) zeigt die Vv. Iliacae communes massiv erweitert (bis 3,5 cm Durchmesser) und mit thrombo tischem Material ausgemauert (Pfeil). Ein Blutfl uss ist nicht nachweisbar.

Abb. 2 Darstellung der unteren Hohlvene (1), der Aorta abdominalis (2) und der V. portae (3) mittels Mehrschicht-Spiral-CT mit Kontrastmittel. Die untere Hohlvene ist deutlich erweitert, mit thrombotischem Material ausgefüllt und findet oberhalb der Nierenvenen keine Fortsetzung. Der Blutfl uss aus der unteren Körperhälfte erfolgt über einen lumbalen Kollateralkreislauf zur V. azygos und V. hemiazygos und in weiterer Folge zur oberen Hohlvene (s. [Abb. 3]).

Abb. 3 V. azygos (1) und V. hemiazygos (2) sind deutlich erweitert, werden aus dem lumbalen paravertebralen Kollateralkreislauf gespeist und führen das Blut aus der unteren Körperhälfte zur oberen Hohlvene.

Abb. 4 Die Lebervenen münden über eine rudimentäre suprahepatische untere Hohlvene (Pfeil) in den rechten Vorhof.

Die Schwierigkeit der Diagnose lag im vorliegenden Fall in den atypischen Symptomen. Beginnend mit Lendenwirbelsäulenschmerzen ohne radikuläre Zeichen und Kribbelparästhesien der unteren Extremitäten ohne morphologische Auffälligkeiten, entwickelte die Patientin eine progrediente Beinheberschwäche, die zu völliger Immobilisation führte. Die Laborwerte zeigten eine mäßige Anämie (Hb 9,6 g/dl), eine Thrombopenie (74 G/l) und ein massiv erhöhtes CRP (228 mg/l).

Die Patientin befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenstand, nachdem 10 Tage zuvor eine (unkompliziert verlaufende) Tonsillektomie durchgeführt worden war.

Als Thrombophilierisikofaktoren wurden Übergewicht (BMI 27), eine positive Familienanamnese (Pulmonalarterienembolie der Großmutter im Alter von 35 Jahren) und eine Heterozygotie für Faktor-V-Leiden (FV G1691A) objektiviert.

Es ist denkbar, dass unsere Patientin von einer perioperativen Heparinisierung profitiert hätte und die IVC-Thrombose dadurch verhinderbar gewesen wäre. Eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin ist grundsätzlich auch nach Tonsillektomie möglich, jedoch wird insgesamt das Risiko thrombembolischer Komplikationen nach Tonsillektomie als gering und niedriger eingestuft als das Risiko postoperativer Blutungskomplikationen.

In der Frage der Therapie entschieden wir uns entsprechend den Daten eines Cochrane Review (Watson et al., Cochrane Database Syst Rev 2004; 4: CD002783) und in Übereinstimmung mit den neuesten Empfehlungen des American College of Chest Physicians (ACCP, Chest 2008; 133; 6 Suppl., 67S ff) gegen eine systemische Thrombolyse, die eine ausgedehnte Venenthrombose zwar effektiv behandeln kann, deren Vorteil bezüglich Langzeitfolgen (insbesondere Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms) aber keinesfalls gesichert ist. Laut Literatur führt die systemische Lysetherapie zu einem erhöhten Risiko für Blutungskomplikationen (Douma RA et al., Semin Thromb Hemost 2007; 33: 821–828) und erhöht die an sich niedrige Mortalität von tiefen Beinvenenthrombosen.

Für die Langzeitbehandlung verabreichten wir Acenocoumarol (Sintron®) in konventioneller Intensität (INR 2–3). Dies entspricht den Richtlinien des American College of Physicians und der American Academy of Family Physicians (Snow V et al., Ann Intern Med 2007; 146: 204–210) sowie des American College of Chest Physicians (Chest 2008; 133; 6 Suppl., 381S–453S).

Ein Jahr nach Diagnosestellung ist unsere Patientin in gutem Allgemeinzustand. Sie konnte ihren Beruf als Küchengehilfin wieder aufnehmen und zeigt bisher keine Symptome eines postthrombotischen Syndroms. Diesbezüglich muss jedoch der Langzeitverlauf weiter beobachtet werden.

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