Gesundheitswesen 2008; 70(11): 624-630
DOI: 10.1055/s-0028-1100391
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kleinräumige Analyse der Säuglingssterblichkeit in Bielefeld unter besonderer Berücksichtigung des Migrationshintergrundes, 2000–2006

Small Area Analysis of Infant Mortality in Bielefeld with Special Consideration of the Migration Satutus of Parents, 2000–2006K. Danke 1 , C. Blecher 1 , D. Bardehle 1 , D. Cremer 2 , O. Razum 1
  • 1Universität Bielefeld, Fakultät Gesundheitswissenschaften
  • 2Gesundheitsamt Bielefeld
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Publication Date:
27 November 2008 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Untersuchung: Von 2002 bis 2005 liegt die Säuglingssterblichkeit in der kreisfreien Stadt Bielefeld über dem Durchschnitt des Landes Nord-rhein-Westfalen (Dreijahresmittelwert 7,3 vs. 4,7 pro Tausend Lebendgeborene für die Jahre 2002–2004). Das Ziel unserer Untersuchung war es, Ursachen für die überhöhte Säuglingssterblichkeit in Bielefeld zu ermitteln.

Methodik: Wir führten eine kleinräumige und sozialräumliche Analyse sowie eine Analyse des Migrationshintergrundes für die Säuglingssterblichkeit durch. Dazu erfassten wir die im Gesundheitsamt Bielefeld vorliegenden Todesbescheinigungen der 2000–2006 verstorbenen Säuglinge mit Wohnsitz in Bielefeld und kodierten die Todesursache nach ICD-10. Anhand des Einwohnermelderegisters ergänzten wir Staatsangehörigkeit und Geburtsland.

Ergebnisse: Häufigste Todesursachen waren perinatale Ursachen, angeborene Fehlbildungen und plötzlicher Kindstod. Drei Stadtbezirke mit einem hohen Anteil von Bevölkerungsgruppen mit besonderen sozialen Risiken wiesen überhöhte Säuglingssterberaten auf. Bei Säuglingen mit Migrationshintergrund wurden häufiger Fehlbildungen als Todesursache angegeben als bei Säuglingen ohne Migrationshintergrund (40% vs. 28% der Todesfälle). Dagegen liegt der Anteil perinataler Ursachen bei Säuglingen ohne Migrationshintergrund höher als bei Säuglingen mit Migrationshintergrund (54% vs. 42% der Todesfälle).

Schlussfolgerungen: Die Höhe der Säuglingssterblichkeit und der Anteil untergewichtiger Lebendgeborener sind von der sozialen Lage abhängig. Dementsprechend ist auch die Säuglingssterblichkeit in einer Stadt geografisch und sozial nicht gleichmäßig verteilt, sondern weist Schwerpunkte auf, die erkannt und beeinflusst werden können. Die Analyse nach Migrationshintergrund und sozialräumlichen Strukturen bietet gute Anhaltspunkte, die Versorgungssituation zu überprüfen und gezielte Maßnahmen z. B. durch die Kommunale Gesundheitskonferenz einzuleiten.

Abstract

Objective: From 2002 to 2005 the infant mortality rate in the city of Bielefeld has been higher than that of the state of North Rhine Westphalia, in which Bielefeld is located. The 3-year average in Bielefeld was 7.3 vs. 4.7 per 1 000 live births in the period 2002–2004. The aim of our study was to examine the causes of the elevated infant mortality in Bielefeld.

Methods: We conducted a small area analysis and an analysis of the migration status of parents and children in the context of infant mortality. We collected data from death certificates stored at the health office of Bielefeld and coded the cause of death according to ICD-10. We extracted nationality and country of birth from the local population registry.

Results: The most frequent causes of death were perinatal factors, malformations and sudden infant death syndrome. Three city districts with a high proportion of population groups with specific sociological risks had an elevated infant mortality. Among infants of migrants, malformations were a more common cause of death (40% of all deaths) than among those without migration background. Perinatal causes were less common among infants with a migration background than without one (42% vs. 54%. of deaths). The authors question whether or not a cause-effect relationship exists here.

Conclusions: The infant mortality rate and the proportion of low birth-weight infants are associated with the social status. Thus, infant mortality is not distributed evenly within a city, either in geographic or in sociological terms. Conversely, statistics about infant mortality define focal points which can be identified and improved. Analysis according to migration background and socio-spatial structures can help to assess health care provided and to initiate targeted interventions, e.g., via local health conferences.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. D. Bardehle

Universität Bielefeld

Fakultät Gesundheitswissenschaften

AG 3: Epidemiologie & International Public Health

Universitätsstraße 25

33615 Bielefeld

Email: Doris.Bardehle@uni-bielefeld.de

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