Kernaussagen
Vulvovaginale Verletzungen, die nicht im peripartalen Zeitraum entstehen, sind aufgrund
ihrer Genese und des Verletzungsmusters oft einzigartig. Wegen z. T. schwerer Blutungen
und einer möglichen Verletzung anderer Beckenorgane stellen sie in ihrer Versorgung
eine Herausforderung dar, u. a. auch deshalb, weil die Anamnese durch Schamgefühle
erschwert sein kann oder ärztliche Hilfe erst verzögert in Anspruch genommen wird.
Als Sammelbegriff umfassen vulvovaginale Verletzungen stumpfe Traumen der Vulva (Straddle
Injury), akzidentielle Perforationen (unter Einschluss von Fremdkörpern), Verletzungen
durch sexuellen Missbrauch, Einreißen und Gewebeverletzung durch plötzliche Grätschung
der unteren Extremität und unfallbedingte Beckenfrakturen.
Vulväre Verletzungen
Vulväre und perineale Traumata werden meist durch ein stumpfes Trauma in der Grätschposition
(Straddle Injury) hervorgerufen. Sie sind häufig einseitig und oberflächlich und typischerweise
begleitet von einem Hämatom. Da die Labien im Kindesalter weniger Fettpolster aufweisen
und Kinder vielfältig körperlich aktiv sind, treten Verletzungen an der Vulva gehäuft
im Kindesalter auf. Das Hämatom bildet sich meist spontan unter Eiskühlung und Kompression
zurück, bei aktiver Blutung muss es ggf. auch eröffnet werden. Eine chirurgische Intervention
ist nur bei klaffenden Riss-Quetsch-Wunden an der Vulva indiziert, ansonsten sind
Kompressionsverbände ausreichend. Befinden sich die Wunden im Bereich des Perineums,
werden sie wie geburtshilfliche Dammverletzungen versorgt.
Vaginale Verletzungen
Die meisten Vaginalverletzungen entstehen durch ein Pfählungstrauma mit entsprechender
Blutungssymptomatik. Je nach Verletzungsmuster sind weitere Abklärungen durchzuführen,
um das Ausmaß der Verletzungen zu eruieren und die geeignete Versorgung in einem Zentrum
einzuleiten. Oberflächliche Verletzungen können in Lokalanästhesie versorgt werden.
Bildet sich ein vaginales Hämatom, wird dieses nur im Falle einer zunehmenden Schwellung
ausgeräumt und das verletzte Gefäß ligiert. Ansonsten ist Beobachtung und Analgesie
meist ausreichend. Neben der Pfählungsverletzung treten Verletzungen an der Vagina
auch durch eingeführte Fremdkörper auf. Diese können meist unter Lokalanästhesie transvaginal
entfernt und die Wunden entsprechend versorgt werden (Antibiotikaprophylaxe). Kohabitationsverletzungen
müssen in der überwiegenden Mehrheit der Fälle chirurgisch versorgt werden. Häufig
handelt es sich dabei auch um Mehrfachverletzungen. Um alle Blutungsquellen zu entdecken,
empfiehlt sich eine standardisierte Inspektion der Vagina. Hilfreich ist das Legen
einer Tamponade mit feuchten Gazekompressen.
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M. Hartog
Frauenklinik Universitätsspital Basel
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