Anamnese: Vorstellung einer 68jährigen Patientin in der Notaufnahme mit wässriger Diarrhoe
(Dauer: ca. 2 Wochen, kein Sistieren auf Nahrungskarenz). Regelmäßiger Alkoholkonsum.
Vorgeschichte: Z.n. Schilddrüsenteilresektion.
Diagnostik: Körperlicher Befund nicht richtungsweisend. Im Routinelabor Erhöhung von Kreatinin
auf 2,7mg/dl und Calcium auf 5,8 mval/l sowie makrozytäre Anämie. Parathormon auf
22pmol/l erhöht (Referenz <5,7). Sonographisch dorsal des linken Schilddrüsenlappens
echoarme Raumforderung (16mm). Somit Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus
(pHPT). Abdomensonographisch langstreckige Erweiterung des Pankreasganges. Aufgrund
der sekretorischen Diarrhoe und der Pankreasveränderung erfolgt unter Verdacht auf
MEN-1-Syndrom Bestimmung von Gastrin i.S. (mit 5765ng/l massiv erhöht), sowie Chromogranin
A i.S. (auf 539µg/l erhöht). Endosonographisch kein auffälliger Befund in Pankreas
und Duodenum, im Magen mehrere echoarme fokale Läsionen von 5–10mm Größe in Mucosa/Submucosa.
Endoskopisch keine Ulzerationen, im Magen typisches Bild einer atrophen Gastritis
sowie mehrere polypoide Veränderungen. Eine wird mittels Schlinge abgetragen und histologisch
zunächst als „Karzinoid-Tumor“ gewertet. Im Serum ist Vitamin B12 auf 66 pg/ml erniedrigt,
es lassen sich Antikörper gegen Parietalzellen und Intrinsic-Factor nachweisen. In
der Langzeit-pH-Metrie des Magens pH-Wert konstant >4. Sekretintest negativ. Somit
besteht kein Gastrinom, sondern zusätzlich zum pHPT eine klassische Autoimmungastritis
Typ A mit Achlorhydrie und reaktiver Hypergastrinämie. Ursprung der Magentumoren ist
der trophische Stimulus auf ECL-Zellen.
Verlauf und Therapie: Unter Rehydrierung und i.v. Gabe von Bisphosphonaten Normalisierung der Serumwerte
von Kreatinin und Kalzium. Ein singuläres Nebenschilddrüsenadenom wird operativ entfernt,
worauf sich der PTH-Wert normalisiert. Vitamin B12 wird parenteral substituiert. Endoskopische
Kontrollen des Magens in 6-monatigen Abständen zeigten keine neuen Aspekte.
Beurteilung: Bei atypischer Präsentation des pHPT lenkte der Versuch, eine gemeinsame Erklärung
für alle Symptome zu finden, den Verdacht zunächst auf das seltene MEN-1-Syndrom.
Tatsächlich lag jedoch eine Koinzidenz zweier unabhängiger seltener Erkrankungen vor.