Z Gastroenterol 2008; 46 - K47
DOI: 10.1055/s-0028-1089881

Diarrhoe, Hyperkalzämie, Hypergastrinämie – seltenes Syndrom oder Koinzidenz seltener Erkrankungen?

F Kupferschmidt 1, AU Dignass 1, M Böhmig 1
  • 1Markus-Krankenhaus, Medizinische Klinik I, Frankfurt, Germany

Anamnese: Vorstellung einer 68jährigen Patientin in der Notaufnahme mit wässriger Diarrhoe (Dauer: ca. 2 Wochen, kein Sistieren auf Nahrungskarenz). Regelmäßiger Alkoholkonsum. Vorgeschichte: Z.n. Schilddrüsenteilresektion.

Diagnostik: Körperlicher Befund nicht richtungsweisend. Im Routinelabor Erhöhung von Kreatinin auf 2,7mg/dl und Calcium auf 5,8 mval/l sowie makrozytäre Anämie. Parathormon auf 22pmol/l erhöht (Referenz <5,7). Sonographisch dorsal des linken Schilddrüsenlappens echoarme Raumforderung (16mm). Somit Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus (pHPT). Abdomensonographisch langstreckige Erweiterung des Pankreasganges. Aufgrund der sekretorischen Diarrhoe und der Pankreasveränderung erfolgt unter Verdacht auf MEN-1-Syndrom Bestimmung von Gastrin i.S. (mit 5765ng/l massiv erhöht), sowie Chromogranin A i.S. (auf 539µg/l erhöht). Endosonographisch kein auffälliger Befund in Pankreas und Duodenum, im Magen mehrere echoarme fokale Läsionen von 5–10mm Größe in Mucosa/Submucosa. Endoskopisch keine Ulzerationen, im Magen typisches Bild einer atrophen Gastritis sowie mehrere polypoide Veränderungen. Eine wird mittels Schlinge abgetragen und histologisch zunächst als „Karzinoid-Tumor“ gewertet. Im Serum ist Vitamin B12 auf 66 pg/ml erniedrigt, es lassen sich Antikörper gegen Parietalzellen und Intrinsic-Factor nachweisen. In der Langzeit-pH-Metrie des Magens pH-Wert konstant >4. Sekretintest negativ. Somit besteht kein Gastrinom, sondern zusätzlich zum pHPT eine klassische Autoimmungastritis Typ A mit Achlorhydrie und reaktiver Hypergastrinämie. Ursprung der Magentumoren ist der trophische Stimulus auf ECL-Zellen.

Verlauf und Therapie: Unter Rehydrierung und i.v. Gabe von Bisphosphonaten Normalisierung der Serumwerte von Kreatinin und Kalzium. Ein singuläres Nebenschilddrüsenadenom wird operativ entfernt, worauf sich der PTH-Wert normalisiert. Vitamin B12 wird parenteral substituiert. Endoskopische Kontrollen des Magens in 6-monatigen Abständen zeigten keine neuen Aspekte.

Beurteilung: Bei atypischer Präsentation des pHPT lenkte der Versuch, eine gemeinsame Erklärung für alle Symptome zu finden, den Verdacht zunächst auf das seltene MEN-1-Syndrom. Tatsächlich lag jedoch eine Koinzidenz zweier unabhängiger seltener Erkrankungen vor.