Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68 - PO_Geb_02_24
DOI: 10.1055/s-0028-1088947

Wie lang ist zu lang?–Eine Analyse der protrahierten Austreibungsperiode im Verhältnis zum Entbindungsmodus

J Knabl 1, M Knüppel 2, K Karl 1, V von Bodungen 1, B Schiessl 2, F Kainer 1
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität München, I. Frauenklinik-Innenstadt, München
  • 2I. Universitäts-Frauenklinik Ludwig-Maximilians-Universität, München

Fragestellung: Die Definition der protrahierten Austreibungsperiode ist abhängig von Parität und Analgesie. Nach 180 Minuten spricht man in jedem Fall von einer verlängerten Austreibung. Ist eine operative Beendigung nach 180 min gerechtfertigt oder verbessert weiteres Zuwarten die Aussicht auf eine Spontangeburt? Methode: In einer retrospektiven Analyse wurden alle primär vaginal intendierten Entbindungen der Jahre 2001 bis 2007 am Perinatalzentrum der LMU München (Innenstadt) auf die Länge der Austreibungsperiode in Korrelation zum Geburtsmodus untersucht. Ergebnisse: Insgesamt wurden 12479 Entbindungen eingeschlossen. Davon lag bei 10907 (87,4%) Entbindungen eine Austreibungsperiode von unter 180 Minuten vor. In dieser Gruppe konnten 87% spontan entbunden werden, bei 11,6% wurde eine vaginal-operative Entbindung durchgeführt, bei 1,3% musste eine Sectio durchgeführt werden (mittlere Blutverlust 370ml±240ml, Oxytocinunterstützung: 37% der Fälle, PDA-Anlage: ebenfalls 37% der Fälle, Primipara 49%) Bei 1572 (12,6%) Entbindungen lag die Austreibungsperiode bei über 180 Minuten. In dieser Gruppe lag die Rate der Spontangeburten bei 35%, während die Rate der operativen Entbindungen stark anstieg: 57% der Entbindungen wurden vaginal-operativ durchgeführt und 8% per Sectio. (mittlere Blutverlust 510ml±296ml, Oxytocinunterstützung: 80%, PDA-Anlage: 89%, Primipara: 89%). Schlussfolgerung: Bei einer Austreibungsperiode von über 180 Minuten kommt es in 92% noch zur vaginalen Geburt. Obwohl der Anteil der vaginaloperativen Entbindungen signifikant ansteigt, kommt es noch in 35% zur vaginalen Spontangeburt. Ein abwartendes Verhalten erscheint daher auch nach einer Austreibungsperiode von >180 Minuten gerechtfertigt.