Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68 - FV_Geb_02_17
DOI: 10.1055/s-0028-1088672

Riskante Unterwasserakrobatik siamesischer Zwillinge

E Beinder 1, F Krähenmann 2, M Meuli 3
  • 1Departement f. Frauenheilkunde, UniversitätsSpital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 2Klinik für Geburtshilfe, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
  • 3Klinik für Chirurgie des Universitäts-Kinderspitals Zürich, Zürich, Schweiz

Einführung: Die Inzidenz von siamesischen Zwillingen wird mit 1: 100.000 Geburten angegeben, wobei Xipho-Omphalopagen einen Anteil von 73% ausmachen. Obwohl die Prognose siamesischer Zwillinge allgemein als dubiös angegeben wird, haben „minimally conjoined twins“, wie im vorliegenden Fall, sehr günstige Zukunftsaussichten.

Fall: Sonographisch wurden mit 16 Schwangerschaftswochen bei einer 29jährigen Erstgravida Omphalo-Xiphopagen nachgewiesen, die durch eine Brücke mit Lebergewebe, Nabelschnurgefässen und Xiphoidknorpel verbunden waren. Weitere Fehlbildungen waren nicht feststellbar. Mit 20 Wochen zeigte sich, dass sich einer der beiden Zwillinge um 180° gedreht hatte. Die Zwillinge lagen nun nicht mehr Kopf an Kopf, sondern Kopf zu Fuss. Diese überraschende und primär von uns nicht für möglich gehaltene Akrobatik hatte keine messbaren Auswirkungen auf die beiden Feten, die mit 35 Schwangerschaftswochen durch Kaiserschnitt entbunden und 7 Tage später komplikationslos getrennt wurden.

Diskussion: Es gibt in der Literatur keinen vergleichbaren Fall der Drehung eines einzelnen siamesischen Zwillings in utero. Dieses Manöver hätte im Fall einer Strangulation der in der verbindenden Gewebebrücke verlaufenden Nabelschnurgefässe fatale Folgen für beide Zwillinge haben können. Auch wenn es sich hier um eine extrem seltene Beobachtung handelt, sollte die Diagnose „minimally conjoined twins“ gestellt werden, da hierbei einerseits gravierende intrauterine Komplikationen möglich sind und auf der anderen Seite die Prognose für ein gesundes postpartales Leben sehr günstig ist.