Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_229
DOI: 10.1055/s-0028-1088465

Spinale Muskelatrophie Typ I (SMA I) in der Kinderpalliativmedizin – Individueller Umgang hinsichtlich Therapieentscheidungen

A Duroux 1, M Grasser 1, K Kinast 1, GD Borasio 2, M Führer 1
  • 1Haunersches Kinderspital und Interdisz. Zentrum für Palliativmedizin der LMU München, Koordinationsstelle Kinderpalliativmedizin, München
  • 2Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin der LMU, München

Hintergrund: Die SMA I ist gekennzeichnet durch zunehmende Muskelschwäche und Tod durch Ateminsuffizienz in den ersten zwei Lebensjahren, wenn keine mechanische Beatmung erfolgt. Der Umgang mit der Erkrankung (non-invasive vs. invasive Beatmung vs. palliative Begleitung) kann im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Dies erfordert eine offene Haltung der professionellen Berater hinsichtlich der Entscheidungsfindung. Fallbeispiele: Pat. 1: Diagnose mit 6 Wochen. 1. Rehospitalisierung (RH) mit 10 Wo. bei Atemnot, Involvierung der Koordinationsstelle Kinderpalliativmedizin (KKiP). Intensivmaßnahmen von Eltern nicht gewünscht. Aufnahme auf Intensivstation bei starker Atemnot, O2-Therapie und Morphininfusion. Tod auf Intensivstation mit 11 Wo. Pat. 2: Diagnose mit 7 Monaten, 1. RH mit 12 Mo. bei Atemnot, wiederholte Intubationen, Involvierung der KKiP. Entlassung nach Hause mit Maskenbeatmung. 2. RH mit 16 Mo. auf Intensivstation bei RSV-Infektion. Divergierende Haltungen bzgl. Therapie (Intensivteam, Eltern, Pflegedienst). Tracheotomie und Entlassung mit invasiver Beatmung. 3. RH mit 18 Mo., Dys- und Atelektasenbildung bei Klebsiellenbesiedlung (aktueller Stand). Pat. 3: Diagnose mit 12 Wo. Mit 11 Mo. invasive Beatmung bei Ateminsuffizienz, Involvierung der KKiP. Zunächst Gelingen einer Maskenbeatmung, im Verlauf akute Verschlechterung, Entscheidung der Eltern gegen eine Tracheotomie. Fentanylinfusion, O2-Therapie und Maskenbeatmung. Tod mit 13 Mo. auf Intensivstation. Pat. 4: Diagnose mit 5 Wo., RH mit 3 Mo. wg. Pneumonie mit O2-Bedarf, Entlassung nach Hause. Erstkontakt mit der KKiP, akute Atemnot, sofortiger Hausbesuch, Aufnahme auf Normalstation, Besserung unter Physiotherapie und O2. Zwei Tage später akute Verschlechterung mit starker Atemnot, Morphininfusion. Tod mit 4 Mo. auf Normalstation. Pat. 5: Diagnose mit 6 Wo., Entlassung, mehrfache Hausbesuche durch die KKiP. Aufnahme im Kinderhospiz im 4. Mo., Titration von Morphin und Lorazepam po bei Atemnotanfällen. Verzicht auf Monitorüberwachung, gute Lebensqualität. Tod mit 5,5 Mo. im Kinderhospiz. Schlussfolgerungen: Trotz gleicher Grunderkrankung können die Therapieentscheidungen bei Kindern mit SMA I sehr unterschiedlich ausfallen. Medizinische Fakten, Wertvorstellungen und Hoffnungen der Familie sowie vorhandene Ressourcen sollten in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Ein spezialisiertes Kinderpalliativteam kann die Versorgung der Patienten koordinieren und beratend unterstützen.