Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_228
DOI: 10.1055/s-0028-1088464

Unterschiedliche Wege bei gleicher Erkrankung in der Kinderpalliativmedizin: zwei schwere Fälle von Dyskeratosis congenita

M Führer 1, A Duroux 1, M Grasser 1, I Borggräfe 2, S Koletzko 3, GD Borasio 4
  • 1Dr. von Haunersches Kinderspital und IZP, Koordinationsstelle Kinderpalliativmedizin, München
  • 2Dr. von Haunersches Kinderspital, München
  • 3Dr. von Haunersches Kinderspital, Gastroenterologie, München
  • 4Klinikum der Universität München, Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, München

Hintergrund: In der Kinderpalliativmedizin spielen schwere angeborene Erkrankungen eine wichtige Rolle. Wir berichten über zwei Kinder mit einer sehr seltenen, angeborenen Systemerkrankung, dem Hoyeraal-Hreidarsson Syndrom (HHS), einer ungewöhnlich schweren Form der Dyskeratosis congenita, die zum fortschreitenden Verlust der Regenerationsfähigkeit aller Wechselgewebe (z.B. Hämatopoese, Immunsystem, Darmschleimhaut) führt. Patienten: Die Patienten stellten sich im Alter von 8 Mo. (Pat.1) bzw. 3J. (Pat.2) mit therapieresistenter Diarrhoe, Enterocolitis und schwersten Schmerzkrisen bei oraler Ernährung vor. Beide Kinder wurden parenteral ernährt und mit einem Ileostoma versorgt. Die Feststellung eines schweren Immundefektes führte in beiden Fällen zur Diagnose eines HHS. Aufgrund der schlechten Prognose entschieden sich beide Familien gegen eine Knochenmarkstransplantation. Daraufhin übernahm die Koordinationsstelle Kinderpalliativmedizin (KKiP) die Betreuung der Kinder. Pat 1.: Aufgrund des starken elterlichen Wunsches nach Lebensverlängerung wurden Blutungen bei Thrombozytopenie mit Transfusionen und aktiv. Faktor VII behandelt. Pat. 1 verbrachte die ersten 30 Mo. nach Diagnosestellung stationär im 400km vom Heimatort entfernten Zentrum. In den letzten 6 Mo. konnte ein tragfähiges Netz für die häusliche Versorgung geknüpft werden. Das Kind verstarb im Alter von 6J. zuhause im Arm der Eltern. Pat. 2 wurde nach dem Gespräch mit der KKiP nach Hause entlassen. Am 200km entfernten Wohnort der Familie wurde in Kooperation mit dem Kinderarzt ein Versorgungsnetz aufgebaut. Durch den engen Kontakt zwischen der Bezugsärztin der KKiP, der Familie und den Kollegen vor Ort konnten Symptomkrisen durch intestinale Obstruktionen ohne Rehospitalisierung erfolgreich behandelt werden. Pat. 2 verstarb im Alter von 5,5J. friedlich im Beisein der Eltern. Fazit: Die Palliativbetreuung von Kindern mit seltenen Erkrankungen stellt aufgrund der wenig bekannten und oft komplexen Symptomatik hohe Anforderungen an das Behandlungsteam. Ein spezialisiertes Kinderpalliativteam kann die Versorgung vor Ort auch bei großer Entfernung erfolgreich koordinieren und rund um die Uhr beratend unterstützen. In der Kinderpalliativmedizin gibt es keine fixierten Therapieschemata: Auch bei gleicher Erkrankung sind die individuellen Bedürfnissen und Wertvorstellungen von Eltern und Kind der Maßstab für die gemeinsame Festlegung des Therapieziels und damit die Richtschnur für das ärztliche Handeln.