Hintergrund: Die Multiple Sklerose (MS) kann zu Sexualfunktionsstörungen (SFS) führen, je nach
Studie berichten 40–80% der MS-Erkrankten darüber. Die Erhebung der Problematik leidet
unter der Schambesetztheit der Thematik, hohe Raten fehlender Antworten beeinflussen
die Aussagekraft der Ergebnisse.
Fragestellung: Ziel der Voruntersuchung soll eine erste Beschreibung der Häufigkeit und Art von
SFS und der sexuellen Zufriedenheit der Erkrankten, u.a. in Abhängigkeit vom Geschlecht,
sein.
Methode: Eingesetzt wurde der Multiple Sclerosis Intimacy and Sexuality Questionnaire-19 (MSISQ-19),
überdies wurden soziodemographische und krankheitsbezogene Daten erhoben. Der Fragebogen
wurde bei Selbsthilfegruppentreffen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Landesverband
Nordrhein-Westfalen (DMSG-LV NRW) eingesetzt, zwecks Enttabuisierung der Thematik
wurde ein Fachvortrag der Datenerhebung vorangestellt.
Ergebnisse: Insgesamt nahmen 27 Personen teil, im Vergleich zu anderen Studien fällt die hohe
Rate männlicher Probanden (42,3%) auf. Die Teilnehmer waren zwischen 25 und 61 Jahre
alt (M=44,5, SD=9,59), vorrangig leicht beeinträchtigt (EDSS <4: 68%) und lebten
in ca. der Hälfte der Fälle in einer Partnerschaft (60%). Nach eigener Einschätzung
leiden 37% unter SFS, davon signifikant mehr Männer (64%) als Frauen (13%). Es finden
sich primäre, sekundäre und tertiäre SFS. Am häufigsten finden sich gemäß MSISQ-19
Lubrikations- bzw. Erektionsprobleme (39%), aber auch die Verzögerung des Orgasmus
betrifft ca. ein Drittel der Befragten. Die Männer beschreiben im Vergleich zu den
Frauen eine geringere sexuelle Zufriedenheit, sie berichten mehr sexuelle Probleme
durch gemindertes Selbstvertrauen. Tendenziell signifikante Abweichungen in der genannten
Richtung finden sich bezüglich der Orgasmusintensität, des Einflusses eingeschränkter
Beweglichkeit, der Angst vor Zurückweisung, Problemen mit der Konzentration, Gedächtnisleistungen
und den Denkprozessen sowie des Erlebens verminderter Männlichkeit respektive Weiblichkeit.
Schlussfolgerungen: Organische und psychische Einflüsse der MS auf das Sexualleben mindern insbesondere
bei Männern die sexuelle Zufriedenheit. Die Erfassung der SFS durch das gewählte Vorgehen
(Einsatz des MSISQ-19, Enttabuisierung durch Information) erscheint sinnvoll, anzustreben
ist eine Erhöhung der Probandenzahl, um weitergehende Aussagen (z.B. hinsichtlich
des Einflusses der SFS auf die Lebensqualität) treffen zu können.