Die Neuritis vestibularis (NV) wird als plötzlicher, einseitiger, teilweiser Ausfall
eines Labyrinthes definiert. Ein einseitiger Signalausfall führt somit sofort zu einem
gerichteten Ungleichgewicht als Folge der Tonusdifferenz. Ziel unserer Studie war
es, mithilfe der voxel-basierten Morphometrie (VBM) in der Magnetresonanztomographie
(MRT) strukturelle Veränderungen im Gehirn von Patienten mit einer abgelaufenen Neuritis
vestibularis herauszufinden.
Einundzwanzig Patienten (9 Frauen, Durchschnittsalter 56.7±10.4 Jahre) mit einer unilateralen
NV (8 rechtsseitige) wurden mehr als 6 Monate (im Durchschnitt 2.5±1.6 Jahre) nach
Ablauf der Erkrankung klinisch und und bildgebend untersucht. Im MRT wurde eine hochauflösende
sagitale T1-gewichtete Aufnahme (MPRAGE Sequenz, 180 Schichten, Schichtdicke=1mm,
Bildmatrix=2562, TR=9.7ms, TE=4ms) in einem 1.5 T Gerät (Siemens Vision, Erlangen, Deutschland) angefertigt.
Mit einem alters- und geschlechtsangepassten Kontrollkollektiv wurde eine identische
MRT-Untersuchung durchgeführt. Danach wurde eine statistische Analyse mit SPM5 für
die Bilder der grauen und weißen Substanz durchgeführt. Dies geschah nach einer ausführlichen
Vorverarbeitung der Rohdaten (Überprüfung der Probenhomogenität, Segmentierung, Jakobische
Modulation, Entrauschen, Normalisierung und Glätten mit einem isotropen Kernel von
8mm).
Die NV Patienten zeigten einen signifikanten Intensitätsanstieg der grauen Substanz
im Areal MT/V5 in der linken Hemispäre. Dieser Befund war bilateral zu sehen, wenn
man die Analyse auf die Patienten mit einer residuellen kalorischen Untererregbarkeit
beschränkte. Bei dieser Untergruppe zeigte sich außerdem eine Abnahme für die Signalstärke
der weißen Substanz im Bereich des posterioren, insulären vestibulären Kortex (PIVC)
bilateral. Zudem fand sich bei allen NV Patienten ein Signalverlust für die weiße
Substanz im rechten Gyrus temporalis superior und dem linken Hippocampus. In der Korrelationsanalyse
fand sich ein reziproker Zusammenhang zwischen den Signalintensitäten der grauen Substanz
in MT/V5 beidseits sowie dem rechten cerebellären Lobus semilunaris mit den Ergebnissen
der dynamischen SVV.
Unsere Studie zeigt erstmals strukturelle kortikale Veränderungen bei Patienten als
Folge einer Hirnnervenläsion. Der Verlust der vestibulären Funktion oder ihrer Integrität
wird möglicherweise sehr gut durch neuronale Veränderungen im Bereich der visuellen
Bewegungswahrnehmung in MT/V5 kompensiert.