Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P502
DOI: 10.1055/s-0028-1086756

Eine kalorienreduzierte Diät verbessert die Gedächtnisleistungen im Alter – Ergebnisse einer dreimonatigen Interventionsstudie

A.V Witte 1, M Fobker 1, R Gellner 1, S Knecht 1, A Flöel 1
  • 1Münster

Fragestellung: Die Lebenserwartung und der Anteil an älteren Menschen in unserer Gesellschaft nimmt stetig zu. Damit steigt die Prävalenz von neurodegenerativen Erkrankungen wie M. Alzheimer und dem „Mild Cognitive Impairment“, für die bisher kaum Präventions- und Therapiemöglichkeiten bekannt sind. Tierexperimentelle Studien legen nahe, dass eine kalorienreduzierte und an ungesättigten Fettsäuren (UFS) reiche Diät den kognitiven Abbau verlangsamen kann (Mattson et al., 2005). In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob eine Ernährungsumstellung die Gehirnfunktion auch beim Menschen verbessern kann.

Methoden: Einundfünzig gesunde Probanden (29 Frauen, 50–79 Jahre, BMI 28±3,5kg/m2) wurden in drei Gruppen stratifiziert, nach der sie sich für die Dauer von drei Monaten an eine der folgenden Bedingungen hielten: (1) um 30% reduzierte Kalorienzufuhr, (2) anteilig erhöhte Einnahme von UFS um 15% bei unverändertem Gesamt-Fettgehalt, (3) gleichbleibende Ernährung als Kontrollbedingung. Vor und nach der Intervention wurden die Gedächtnisleistungen der Probanden mittels des „Verbalen Lern- und Merkfähigkeitstest“ (VLMT) ermittelt. Mögliche unspezifische Effekte auf das Reaktionsvermögen wurden durch den Trail-Making-Test (TMT) erfasst. Jeweils morgens nüchtern wurde den Probanden Blut entnommen, um den Insulinspiegel zu messen.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung der Gedächtnisleistungen im VLMT nach der dreimonatigen kalorienreduzierten Diät um durchschnittlich 19.6% (p<0.05). In einer Auswahl der Probanden, die über 2kg Gewicht verloren, korrelierte der prozentuale Anteil an mehr erinnerten Wörtern invers signifikant mit der prozentualen Abnahme des nüchtern-Insulinspiegels (Spearman, p<0,02; Abb.1). Die anderen Gruppen zeigten keine signifikanten Veränderungen im VLMT oder im Insulinspiegel. Die Reaktionsschnelligkeit im TMT blieb in allen Gruppen vor und nach der Intervention gleich.

Schlussfolgerungen: In dieser prospektiven Interventionsstudie konnte erstmals ein positiver Effekt von kalorienreduzierter Ernährung auf die Gedächtnisleistung von gesunden, älteren Probanden dokumentiert werden. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Kalorienrestriktion neuroprotektive Mechanismen auch im menschlichen Gehirn entfalten kann, was bisher nur tierexperimentell belegt wurde. Die Studie könnte daher neue Präventionsstrategien auf den Weg bringen, die helfen, den altersbedingten kognitiven Funktionsverlust zu verlangsamen.