Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P453
DOI: 10.1055/s-0028-1086707

Therapie der multifokalen motorischen Neuropathie mit Natalizumab

A Raji 1, G Winkler 1
  • 1Hamburg

Präsentiert wird die weltweite Erstveröffentlichung eines individuellen Heilversuchs bei einem Patienten mit Multifokaler Motorischer Neuropathie (MMN). Bisher sind nur sehr wenige Daten zur Antikörpertherapie mit Rituximab bei MMN verfügbar.

Der heute 64-jährige Patient (Körpergewicht 55Kg) erhielt 1996 bei progredienten symmetrischen distal und beinbetonten Paresen und Atrophien zunächst die auswärtige Fehldiagnose einer Amyotrophen Lateralsklerose. Bei drohendem Verlust der hilfsmittelunabhängigen Gangfähigkeit mit einer Gehstrecke bis 100m und bereits deutlichen axonalen Schäden an den Unterschenkeln erfolgte nach korrekter Diagnosestellung einer MMN in 2000 die Monotherapie mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen (IVIG) in einer Dosis von 300gr/a. Der Therapieeffekt war in den weniger betroffenen Körperregionen sehr gut, in den Beinen dagegen nur ausreichend mit einer Verbesserung der Gehstrecke auf 200m bis zum Konditionsverlust. Es fiel die Entscheidung zur additiven Therapie mit Cyclophosphamid ab 2001–2005. Der Effekt war ein stabiler Befund bei konstantem IVIG-Bedarf von 300gr/a. Wegen einer beginnenden Knochenmarksuppression war die Therapie mit Cyclophosphamid bis 2005 limitiert. Nach Restitution des Knochenmarks verdoppelte sich der IVIG-Bedarf zum Erhalt des neuromuskulären Status sprunghaft auf 620gr/a. Es fiel in 2007 die Entscheidung zum individuellen Heilversuch mit Natalizumab bei einem zur schubförmigen Encephalomyelitis disseminata analogen Dosierungsschema.

Die Therapie mit Natalizumab wird ohne Komplikationen vertragen. Derzeit besteht nach 7 Monaten dualer Therapie ein verringertrer IVIG-Bedarf von 450gr/a. Der neuromuskuläre Status ist stabil.

Natalizumab könnte eine Therapiealternative zum Cyclophosphamid bei MMN mit nicht mehr ausreichendem response auf hochdosierte IVIG sein. Der bei der vorliegenden Kasuistik gezeigte Minderbedarf an IVIG kann noch nicht als signifikant angesehen werden. Die bei dem hier beschriebenen Patienten über Jahre verzögerte Diagnose mit konsekutiver früher axonaler Schädung erschwert die Interpretation und könnte zu einer Unterschätzung der möglichen Therapioptionen des Natalizumab führen.