Gesundheitswesen 2008; 70 - A192
DOI: 10.1055/s-0028-1086417

Sexuelle Belästigung von Mädchen und Jungen im Alter von 11 bis 17 Jahren – Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)

U Hapke 1, R Hüppe 2, R Schlack 1, H Hölling 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin
  • 2Justus-Liebig-Universität, Gießen

Hintergrund: Missbrauch und sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen sind Risikofaktoren für eine gesunde und unbeschwerte Entwicklung. Klinische Studien zeigen, dass Menschen mit Verhaltensproblemen und psychischen Störungen überzufällig häufig derartige Übergriffe in ihrer Kindheit erfahren haben. Repräsentative Daten aus der Bevölkerung gibt es vor allem aus retrospektiven Befragungen von Erwachsenen [1–3]. Stichprobe und Methode: Im KiGGS wurde eine für Deutschland repräsentative Stichprobe von 17.641 Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren, mit einer Ausschöpfung von 66,6%, untersucht. Kinder und Jugendliche in der Altersgruppe von 11 bis 17 (n=6.813) wurden mittels validierter Items zu sexueller Belästigung und zu unfreiwilligen sexuellen Handlungen befragt. Soziodemographische Merkmale wurden mit epidemiologischen Standardverfahren erfasst. Für die Beurteilung der sexuellen Reife wurden der Stimmbruch bzw. die Menarche, sowie der Grad der Schambehaarung herangezogen. Verhaltensprobleme, emotionale Probleme, Hyperaktivitätsprobleme, Probleme mit Gleichaltrigen und prosoziales Verhalten wurden mit dem Strength and Difficulties Questionnaire (SDQ) [3], Lebensqualität mit dem revidierten Kinder Lebensqualitätsfragebogen (KINDL-R) [4] und Essstörungen mit dem SCOFF-Fragebogen erfasst [5]. Weiterhin wurden protektive Faktoren wie personale, soziale und familiäre Ressourcen mit standardisierten Fragebogenverfahren gemessen. Ergebnisse: Von 6.813 befragten Kindern beantworteten 6.685 (98,12%) den Fragbogenteil zu sexueller Belästigung und unfreiwilligen sexuellen Handlungen. Bei den Mädchen zeigte sich ein deutlicher Anstieg der sexuellen Belästigung in Abhängigkeit vom Alter und der sexuellen Reife. Die Lebenszeitprävalenz stieg vom 11. bis 17. Lebensjahr von 1,8% auf 18% an. Bei den Jungen ergab sich keine entsprechende Zunahme, die Lebenszeitprävalenz schwankte zwischen 0,8 und 4,9%. Kinder in einer Förderschule hatten ein dreifach erhöhtes Risiko bereits sexuell belästigt worden zu sein. Sexuell belästigte Kinder und Jugendliche hatten signifikant mehr Verhaltensprobleme und häufiger Symptome psychischer Auffälligkeiten. Schlussfolgerungen: Die Risikofaktoren für sexuelle Belästigung und unfreiwillige sexuelle Handlungen sollten näher untersucht werden, um die Möglichkeiten der Prävention zu verbessern.

Literatur:

[1] Jonzon E, Lindblad F. Risk factors and protective factors in relation to subjective health among adult female victims of child sexual abuse. Child Abuse Negl 2006; 30(2): 127–143

[2] Molnar BE, Buka SL, Kessler RC. Child sexual abuse and subsequent psychopathology: results from the National Comorbidity Survey. Am J Public Health 2001; 91(5): 753–760

[3] Goodman R, Ford T, Simmons H, Gatward R, Meltzer H. Using the Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) to screen for child psychiatric disorders in a community sample. Br J Psychiatry 2000; 177: 534–539

[4] Ravens-Sieberer U, Ellert U, Erhart M. Health-related quality of life of children and adolescents in Germany. Norm data from the German Health Interview and Examination Survey (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2007; 50(5–6): 810–818

[5] Perry L, Morgan J, Reid F, Brunton J, O'Brien A, Luck A, et al. Screening for symptoms of eating disorders: reliability of the SCOFF screening tool with written compared to oral delivery. Int J Eat Disord 2002; 32(4): 466–472