Gesundheitswesen 2008; 70 - A48
DOI: 10.1055/s-0028-1086273

Erreichbarkeit von russisch- und türkischsprachigen Migranten über Informationsveranstaltungen mit Zugeh- und Kommstruktur zum Thema Suchtprävention

U Gerken 1, O A'Walelu 2, S Bisson 1, C Krauth 2, R Salman 4, W Machleidt 3, U Walter 1
  • 1Stiftungslehrstuhl Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover
  • 3Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
  • 4Ethno-Medizinisches-Zentrum e.V., Hannover

Einleitung: Auch wenn es bisher keine verlässlichen Zahlen zur Suchtgefährdung und dem Rauschmittelmissbrauch von Migranten gibt, wird in verschiedenen Studien deutlich, dass nur ein Bruchteil der bevölkerungsstatistisch zu erwartenden Migranten Suchthilfeeinrichtungen aufsucht. Die Nutzung migrantenspezifischer Zugangswege für die Vermittlung präventiver Informationen kann dem entgegenwirken und wird bspw. mit dem Mediatoren-Ansatz verfolgt. Dieses Konzept setzt geschulte Muttersprachler als Multiplikatoren in ihrer ethnischen Gemeinschaft ein, um dort Informationsveranstaltungen zum Thema Suchtprävention anzubieten. Methoden: In einem BMBF-geförderten Projekt zur Effektivität von muttersprachlichen Präventionsberatern wurden zwischen 11/2006–07/2007 34 russisch- und 28türkischsprachige Informationsveranstaltungen geplant und durchgeführt. Davon haben 49 Veranstaltungen in Settings der jeweiligen Kulturgemeinschaft (z.B. Moscheen, russ. Vereine) oder Institutionen (z.B. Berufsschulen) stattgefunden (Zugeh-Struktur). Zwölf Veranstaltungen wurden per Plakat/Flyer im Stadtgebiet angekündigt und in öffentlichen Gebäuden durchgeführt (Komm-Struktur). Die teilnehmenden Migranten zwischen 16 und 64 Jahren wurden mittels eines zweisprachigen Selbstausfüller-Fragebogens u.a. zu ihrem Gesundheits- und Präventionsverhalten befragt. Für die Analysen liegen 386türkische und 436 russische Fragebögen zur Auswertung vor. Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass der Zugang über die Zugehstruktur die erfolgreichere Strategie darstellt, da über die Kommstruktur insgesamt nur zwei Personen erreicht werden konnten. Erste Analysen über beide Sprachgruppen zeigen, dass die Motivation zum Besuch der Suchtpräventionsveranstaltung häufiger mit einem allgemeinen Interesse am Thema begründet wird und seltener mit der konkreten Absicht, einer suchtgefährdeten Person zu helfen. Im September wird eine Charakterisierung der über die Zugehstruktur erreichten Migranten z.B. nach demographischen Merkmalen oder der erfolgten Akkulturation präsentiert. Schlussfolgerung: Die Analyse gibt Aufschluss darüber, welche Migranten über die einzelnen Zugangswege erreicht, bzw. nicht erreicht werden und trägt somit zur systematischen Weiterentwicklung migrantenspezifischer Zugangswege bei. Eindeutig ungeeignet für den Zugang zu Migranten sind öffentlich angekündigte Veranstaltungen in migrantenunspezifischen Räumen. Unverzichtbar sind die Netzwerke der Präventionsberater und die Kontakte innerhalb der ethnischen Gemeinschaften, um Migranten zu erreichen und für das Thema Suchtprävention zu sensibilisieren.