Kommentar
Die vorgestellte, norwegische (!) Studie wurde nicht irgendwo publiziert, sondern
immerhin in den renommierten Proceedings of the National Academy of Science der USA.
Sie bekräftigt u.a. Ergebnisse der weltbekannten Harvard–Studien „Physicians' Health
Study" und „Nurses' Health Study", denen zufolge auf jeden durch Sonneneinfluss verursachten
Hautkrebs–Toten 30 Menschen kommen, die durch Vitamin D vor dem Krebstod bewahrt werden
[1].
Die Argumente scheinen inzwischen schwer genug zu wiegen, dass z.B. die amerikanische
Krebs–Vereinigung (American Cancer Society, ACS) derzeit ihre Richtlinien zum Sonnenschutz
überdenkt. Selbst in Australien macht man sich inzwischen ernsthafte Gedanken, ob
die jahrelangen Kampagnen, die generell vor Sonnenexposition warnten (Stichwort: Ozonloch!)
nicht am Ende ein Schuss sein könnten, der nach hinten losgeht [2].
So faszinierend die Perspektiven sind, bin ich mir wohl bewusst, dass hier im Wesentlichen
Assoziationen berichtet werden, dass die Kausalität noch nicht endgültig bewiesen
ist. Dennoch, finde ich, lässt sich aus der Arbeit eine faszinierende Erkenntnis ableiten
und in weiten Bereichen unserer modernen Medizin zur Anwendung bringen:
Ganz intuitiv neigen wir dazu, uns in unserer Betrachtung in aller Regel auf einen
einzigen Zusammenhang zu beschränken, beim aktuellen Thema wäre das der Dermatologe
auf Sonne und Hautkrebs. Er würde wohl kaum einen (inversen!) Zusammenhang zwischen
Sonne und Leukämie oder Brustkrebs vermuten, da ihn erst der Umweg über Endokrinologie
und Vitamin D auf die richtige Spur bringen würde, ein Themenbereich, für den er medizinisch
„nicht zuständig” ist. Die vorliegende Untersuchung lehrt uns, dass auch „Risiken”
erst im Kontext mit dem potenziell parallel assoziierten Benefit valide beurteilt
werden können.
Ich werde zumindest in Zukunft, wann immer man mir eine monokausale Ursache–Wirkungsbeziehung
servieren möchte, versuchen, mit gesundem Menschenverstand auszuloten, wie sicher
auszuschließen ist, dass es relevante „Parallelwelten” gibt.
K. L. Resch