Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(7/08): 540-546
DOI: 10.1055/s-0028-1083098
Fachwissen
Topthema:Perioperative Ernährung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Stellenwert der perioperativen Immunonutrition

The significance of perioperative immunonutritionDierk Schreiter, Steffen Rabald, Sven Bercker, Udo X. Kaisers
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Publication Date:
31 July 2008 (online)

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Zusammenfassung

Die perioperative Immunonutrition moduliert die im Zusammenhang mit großen operativen Eingriffen stattfindenden pathophysiologischen Veränderungen von Immun– und Stoffwechselfunktionen durch die gezielte Zufuhr von konstitutionell essentiellen Substraten wie Glutamin, Arginin, Omega–3–Fettsäuren oder Nukleotiden. Empfohlen wird die Anwendung bei Patienten mit großen abdominalchirurgischen Eingriffen und bei Tumoroperationen im Kopf–Hals–Bereich jeweils 5–7 Tage vor und nach dem Eingriff.

Abstract

Perioperative immunonutrition is aiming at modulating altered immunological and metabolic functions in the context of major surgery. It is defined as the supplementation of constitutionally essential substrates such as glutamine, arginine, omega–3–fatty acids or nucleotides. The application of such formula is recommended for patients undergoing major abdominal–surgical procedures and tumour surgery in the head neck area. The substitution should be given 5–7 days before and after the intervention.

Kernaussagen

  • Infektionen und Verletzungen, aber auch große operative Eingriffe bewirken im Organismus eine Aktivierung des sympathikoadrenergen Systems. Dadurch steigt das Herzzeitvolumen und es erfolgt eine erhöhte Energie– und Substratbereitstellung. Dieser Zustand wird als Postaggressionssyndrom bezeichnet.

  • Infektionen, Verletzungen und große Operationen führen zudem durch die Ausschüttung pro– und antiinflammatorischer Mediatoren zur übersteigerten Entzündungsreaktion des gesamten Organismus wie auch zu einer reaktiven Immunparalyse.

  • Substanzen, die beim gesunden Menschen selbst synthetisiert werden können, die aber bei erkrankten oder mangelernährten Patienten infolge eines erhöhten Verbrauches oder einer verminderten Synthese zu Mangelerscheinungen führen können, werden als konstitutionell essenziell bezeichnet.

  • Bekannte konstitutionell essenzielle Nährstoffe, die bei operativen und kritisch kranken Patienten Einfluss auf das Immun– und Stoffwechselsystem haben, sind Omega–3–Fettsäuren, Glutamin, Arginin, Nukleotide und Antioxydanzien. Mit diesen Substraten angereicherte Diäten werden als Immunonutrition bezeichnet.

  • Omega–3–Fettsäuren verdrängen die an der Bildung zahlreicher Entzündungsmediatoren beteiligten Omega–6–Fettsäuren und vermindern somit die Bildung von proinflammatorischen Zytokinen. Omega–3–Fettsäuren finden sich vor allem in Fischölen.

  • Glutamin wird aus der Muskulatur freigesetzt und dient als schnell verfügbarer Nährstoff. Parenteral zugeführtes Glutamin vermindert die postoperative Katabolie, stärkt die Darmbarriere und stellt ein wichtiges Substrat des antioxidativ wirkenden Glutathion dar. Es führt erwiesenermaßen zur Reduktion von infektiösen Komplikationen bei Polytrauma– und Schädelhirntrauma–Patienten.

  • Arginin ist eine semiessenzielle Aminosäure. Ihre Substitution verbessert die Lymphozytenproliferation und die Wundheilung. Als quantitativ bedeutsamstes Substrat der NO–Synthese kann ihre Zufuhr aber vermutlich durch eine überschießende NO–Synthese zur höheren Letalität bei Patienten mit schwerer Sepsis (Apache–II > 14) führen.

  • Nukleotide dienen als Bausteine von DNA und RNA und sind wichtige Substrate für die Zellteilung. Eine Zufuhr führt tierexperimentell zu einer verbesserten T–Zell–Antwort und zu einer effektiveren Immunabwehr auf Antikörperebene.

  • Ernährungslösungen für die Immunonutrition sind mit diesen Substanzen angereichert und sollen die Immunantwort und Katabolie günstig beeinflussen. Die unterschiedlichen Zusammensetzungen und die Anwendung an inhomogenen Patientengruppen erschwert die Bewertung der klinischen Wirksamkeit.

  • Für Patienten mit großen abdominalchirurgischen Eingriffen und mit Tumoroperationen im Kopf–Hals–Bereich wird von der ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism) die Anwendung einer Immunonutrition jeweils 5–7 Tage vor und nach dem Eingriff empfohlen.

Literaturverzeichnis

Dr. med. Dierk Schreiter
Steffen Rabald
Dr. med. Sven Bercker
Prof. Dr. med. Udo X. Kaisers

Email: Dierk.Schreiter@medizin.uni-leipzig.de