Osteologie 2025; 34(04): 286-287
DOI: 10.1055/a-2715-7792
Nachruf

In Memoriam – zum Gedenken an Prof. Dr. Helmut Minne

Autoren

  • Maren Glüer

  • Franz Jakob

  • Friederike Thomasius

  • Claus-Christian Glüer

  • Martin Gehlen

Am 23. Juli diesen Jahres ist Prof. Helmut W. Minne verstorben. Die Zeitungen bezeichneten den am 6.12.1942 geborenen auch als „Osteoporose-Papst von Bad Pyrmont“ und erinnerten in diesem Zusammenhang an seine vielfach gewürdigte und in 2007 mit dem Verdienstorden am Bande des Landes Niedersachsen ausgezeichnete Arbeit für die Erforschung von Knochenkrankheiten, insbesondere der Osteoporose und deren Anerkennung als Volkskrankheit. Wortgewaltig, manchmal drastisch, aber immer von Herzen hat er sich für die Belange der Menschen mit Knochenerkrankungen eingesetzt und dabei einen oft hintergründigen Humor aufscheinen lassen. Privat erfreute er sich neben der Familie, vor allem an Kunst und Geschichte.

Nach dem Medizinstudium in Frankfurt und Göttingen und der Approbation 1970 begann Helmut W. Minne seine Facharztausbildung für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie an der Universitätsklinik Ulm. Eine noch intensivere Spezialisierung auf Knochenerkrankungen erfolgte mit seiner Tätigkeit als Oberarzt in der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Universität Heidelberg.

1991 übernahm er die Position des Ärztlichen Direktors der Fürstenhof-Klinik im Staatsbad Bad Pyrmont. Für die MitarbeiterInnen in der Klinik „Der Fürstenhof“ war Prof. Helmut W. Minne immer der nahbare Chef, der alle für den Knochen zu begeistern verstand. Sein Anspruch war hoch, was sich in Sätzen ausdrückte wie „Man muss immer hoch zielen – denn irgendwann bleibt ein Pfeil in den Wolken hängen!“ Die Gründung wissenschaftlicher Einrichtungen, des „Institut für Klinische Osteologie Gustav Pommer e.V. 1993“ und des „MEDWISS BAD PYRMONT e.V.“ 1999, unterstützte diesen Anspruch auch gegen Widerstände, die andere Vorstellungen von einem beschaulichen Kurort umsetzen wollten. In der so genannten „Kurkrise“ 1997 jedoch zahlte sich der Anspruch auf wissenschaftliche Qualität aus, die nun auch anderswo die Maßstäbe veränderte, die in Pyrmont bereits umgesetzt waren. In seiner charakteristischen robusten Diktion bezeichnete er seine Arbeit als „Knochenjob“, in dem er „Exzellenz im Schlammbad“ (in Anspielung auf die Moorpackungen) erarbeitete und die Klinik zu einem national und international sichtbaren Zentrum Muskuloskelettaler Forschung und Versorgung machte.

2010 schied Helmut W. Minne als Klinikdirektor in Bad Pyrmont aus und ließ sich in Halberstadt in endokrinologischer Gemeinschaftspraxis nieder. Nach wie vor aber – so der einhellige Eindruck der Belegschaft – schwebt der „Geist von Helmut Minne“ immer noch durch die Gänge der Klinik. Sein Ableben wird als Verlust eines charismatischen Mentors empfunden, dessen Empathie und Begeisterungsfähigkeit eine der Hauptursachen seines Erfolgs im Leben darstellten.

Das wissenschaftliche Werk von Prof. Helmut W. Minne ist eindrucksvoll und seine Arbeiten wurden international anerkannt (173 Arbeiten von 1966 bis 2017; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=minne%20h&sort=date, Online-Zugriff am 2.10.2025). Neben vielen anderen wissenschaftlichen Leistungen entwickelte er Ende der 80er Jahre den Spine Deformity Index (SDI) als morphometrisches Maß zur Quantifizierung vertebraler Deformierungen, der die Höhen der Wirbelkörper T5–L5 (anterior, mittig, posterior) relativ zu T4 misst und zu einem Summenindex verrechnet. 1996 initiierte er die multidisziplinäre Pyrmonter EPOS-Studie zur Evaluation prädiktiver Faktoren der Osteoporose, gefördert durch die Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung, in der zum ersten Mal in der umfassenden Art neben medizinischen Parametern funktionelle, psychosoziale und Lebensqualitäts-bezogene Aspekte longitudinal untersucht wurden. Er war auch an der Entwicklung des internationalen krankheitsspezifischen Lebensqualität-Fragebogens QualEFFO 41 beteiligt, der heute in 24 Sprachen vorliegt und ein wichtiges, viel genutztes Instrument zur Lebensqualitätserfassung ist. Die Auswirkungen des Vitamin D Stoffwechsels auf Knochen und Muskel waren ein wichtiges Forschungsfeld für ihn. Weitere Studien in Pyrmont führten zur Entwicklung einer neuartigen Orthese zur Verbesserung der Haltung und der Lebensqualität. Deren kommerziellen Erfolg nutzte er auch, um osteologische Forschung mit Stiftungspreisen zu fördern. Zusammen mit Dr. Mehrsheed Sinaki, Mayo Clinic, gründete er die ASBMR Working Group on Musculoskeletal Rehabilitation und organisierte so über mehrere Jahre internationale Forschung in diesem Bereich.

Helmut W. Minne hat wie nur wenige andere Osteologen die Entwicklung der Osteologie über Jahrzehnte aktiv geprägt. Er trug entscheidend dazu bei, die Verständigung zwischen den Disziplinen zu fördern, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Knochen befassen. Unter seiner Mitwirkung erlebte die Osteologie den Übergang von der Autorität der Eminenz hin zur Evidenz, von kasuistischen Beobachtungen zu evidenzbasierten Leitlinien. Seine berufspolitischen Verdienste spiegeln sich in zahlreichen Funktionen und Initiativen wider. Er war Gründungsmitglied der Sektion „Calcium-regulierende Hormone und Knochenstoffwechsel“ (CHRUKS) der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Zusammen mit Prof. Dieter Felsenberg initiierte er die Gründung der Deutschen Akademie der osteologischen & rheumatologischen Wissenschaften (DAdorW) mit dem Ziel, die muskuloskelettale Forschung über die Osteoporose hinaus zu weiten. Über viele Jahre wirkte er als festes Mitglied der Leitlinienkommission des Dachverbandes deutschsprachiger wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie (DVO) und war zudem Mitbegründer des Kuratoriums Knochengesundheit, dessen wissenschaftlicher Sekretär er lange Zeit blieb. Die Stärkung der internationalen Präsenz deutscher osteologischer Wissenschaftler war ihm ein großes Anliegen. Dazu engagierte er sich aktiv in der European Foundation for Osteoporosis (EFFO), später in der International Osteoporosis Foundation (IOF). Er half mit, Prominenz für das Engagement für die Osteoporose zu gewinnen, so Rania von Jordanien, Camilla Parker Bowles und Rita Süßmuth. Auch engagierte er sich mit Barbara von Stackelberg für die außergewöhnliche Fotografie-Ausstellung von Oliviero Toscani zum Thema Osteoporose, die in vielen europäischen Städten gezeigt wurde.

Die wissenschaftlichen Gesellschaften würdigten seine Arbeit durch Preise und Anerkennungen wie z.B. 2014 die Uehlinger-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Osteologie. Für seine herausragenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Leistungen wurde ihm im Jahr 2007 der Niedersächsische Verdienstorden am Bande verliehen.

Mit dem Tod von Prof. Helmut W. Minne verliert die nationale und internationale Osteologie nicht nur einen herausragenden Arzt, sondern auch einen Menschen, dessen Herz und Engagement seinen Patientinnen und Patienten stets spürbar waren. Besonders am Herzen lag ihm auch die Förderung des medizinischen Nachwuchses, dem er sein Wissen und seine Leidenschaft weitergab. Er wird uns allen unvergessen bleiben. Durch seine Vision und sein Engagement ist die osteologische Fachwelt enger zusammengewachsen und interdisziplinär geprägt worden. Helmut W. Minne hat seine Botschaften mit hohem Wirkungsgrad öffentlich gemacht. Seine Publikationen und Kommentare begleiteten uns auch in unserer Zeitschrift Osteologie bis ins Jahr 2020, wo er im Heft 3/2020 seine letzte Minne-Kolumne „Und übrigens ….“ veröffentlichte, die hier noch einmal reproduziert sein soll (Abb. 1), denn sie wirkt auch im Nachhinein wie ein persönlicher Abschied und ein persönliches Vermächtnis.

Maren Glüer
Franz Jakob
Friederike Thomasius
Claus-Christian Glüer
Martin Gehlen[*]

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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. November 2025

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