Zusammenfassung
Seit seiner Einführung im Jahr 1999 hat sich der Begriff des Mild Cognitive
Impairment (MCI) als klinisches Syndrom in der wissenschaftlichen und klinischen
Praxis etabliert. Technische und wissenschaftliche Fortschritte machten eine
regelmäßige Aktualisierung von Forschungskriterien erforderlich. In der
Entwicklung kam es so zu einer stärker biologischen Definition und dem Einbezug
von Biomarker-basierten Kriterien, während die klinischen Kernkriterien im
Wesentlichen unverändert blieben. Das klinische MCI-Kernkriterium zu
objektivierbaren kognitiven Defiziten erlaubt eine konkrete Operationalisierung
und hat wiederum zur Entwicklung verschiedener
neuropsychologisch-operationalisierter Kriterien geführt. Weitere Ansätze, die
sensitiver für erste kognitive Veränderungen sein könnten oder auch stärker das
Kriterium des kognitiven Abbaus berücksichtigen, könnten künftig ebenfalls dafür
genutzt werden. Dabei müssen für die Anwendung
neuropsychologisch-operationalisierter Kriterien bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sein, wie die Erfassung relevanter kognitiver Domänen mit angemessen
normierten Testverfahren in einem ausreichenden Umfang. Eine standardisierte und
konsistente Nutzung dieser Kriterien könnte die hohe Variation in
MCI-Prävalenzraten reduzieren sowie prognostische Einschätzungen und
Behandlungsentscheidungen in der klinischen Routine angleichen. Erhebungen zum
Ist-Zustand in deutschen Gedächtnisambulanzen zeigen, dass perspektivisch die
Möglichkeit einer einrichtungsübergreifenden Verständigung auf ein Kriterienset
i.S. einer Harmonisierung möglich wäre. Dennoch bliebe bei einer Festlegung auf
eine Operationalisierung weiterhin abschließend das klinische Urteil mit
angemessener Würdigung individueller Einflussfaktoren ausschlaggebend für eine
MCI-Diagnose. Die vorliegende Arbeit liefert einen Überblick und Einordnung zu
klinischen und neuropsychologisch-operationalisierten Kriterien, deren
Herausforderungen und neuen Entwicklungen, um erste kognitive Veränderungen
frühzeitig und adäquat zu detektieren.
Abstract
Since its introduction in 1999, the clinical syndrome Mild Cognitive Impairment
(MCI) has been established in scientific and clinical practice. Technical and
scientific advances made it necessary to regularly update research criteria,
resulting in a shift to a more biological definition and biomarker-based
criteria, while clinical core criteria remained essentially unchanged. The
cognitive core criterion (objective evidence of cognitive impairment) allows
concrete operationalization and has, in turn, led to the development of various
neuropsychological criteria. Approaches more sensitive to early cognitive
changes or taking greater account of cognitive decline may also be further
elaborated for their future use. In general, certain conditions must be met for
the use of neuropsychological criteria, such as the assessment of relevant
cognitive domains with appropriately standardized test procedures to a
sufficient extent. Standardized and consistent criteria use could reduce the
high rates of variation observed in MCI prevalence rates and could help
harmonizing prognostic evaluations and treatment decisions in routine clinical
practice. Surveys of the status quo in German memory clinics suggest that there
is a basis to possibly reach consensus on a set of criteria across institutions.
Despite a potential commitment to specific neuropsychological criteria, clinical
judgment appropriately considering individual factors would remain decisive for
an MCI diagnosis and thus leaving existing MCI clinical core criteria untouched.
The present work provides an overview on clinical and neuropsychological MCI
criteria, discusses their challenges and future perspectives to timely and
adequately detect first meaningful cognitive changes.
Schlüsselwörter leichte kognitive Störung - Demenz - Neuropsychologie - Diagnostik - Gedächtnisambulanz
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Keywords mild cognitive impairment - dementia - neuropsychology - diagnostics - memory clinic
- standards