Zeitschrift für Palliativmedizin 2025; 26(06): 298-301
DOI: 10.1055/a-2704-2658
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Doppelkopf: David Fuchs und Christina Mayr-Pieper

David Fuchs

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Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Zwei Dinge haben mich an Medizin fasziniert: Einerseits, Menschen in existenziellen Lebensphasen zu begegnen, und andererseits, in oft chaotischen oder hoch belastenden Situationen handlungsfähig zu sein, Dinge bewegen zu können.Im Studium wollte ich, aus dem Rettungsdienst kommend, zunächst Anästhesist und Notarzt werden. Nachdem ich rasch bemerkt hatte, dass ich mich im OP langweile, habe ich versucht, mein zweites Interesse, nämlich die Palliativmedizin, zu verfolgen. Leider hatte die damals einzige Palliativstation in meiner Umgebung keine Famulaturen angeboten und so wurde ich für den Sommer der Onkologie zugeteilt. Ich hatte dort eine so gute Zeit, dass ich später am Kepler Uniklinikum in Linz die Facharztausbildung machte und dort etwa zehn Jahre als Onkologe und an der dortigen Palliativstation tätig war.Als sich dann vor einigen Jahren die Möglichkeit ergeben hat, an jene Palliativstation am Ordensklinikum Linz bei den Barmherzigen Schwestern zu wechseln, an der ich zwanzig Jahre davor nicht famulieren hatte dürfen, habe ich natürlich sofort angenommen! Mittlerweile bin ich auch an unserer zweiten Palliativstation und im Hospiz und Tageshospiz tätig und voll in der Palliative Care angekommen.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Ich könnte natürlich wieder Onkologe sein, oder auch ein ziemlich schlechter Notarzt werden… Aber tatsächlich habe ich ja schon einen zweiten Beruf, nämlich als Schriftsteller, was eine ganz andere Welt und eine wunderbare Ergänzung ist. Ich sage im Spital auch öfter, dass ich mir, falls der ganze große Erfolg kommt und Hollywood die Filmrechte kauft, mir das mit der Medizin vielleicht nochmal überlege …

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Früher einmal bin ich aufgestanden, ins Laufgewand gehüpft und quasi direkt aus dem Bett ins Krankenhaus gejoggt. Allerdings sind auch diese vier Wochen vorübergegangen und so beginne ich meinen Tag, wie es meiner Natur eher gemäß ist: Ich schalte den Wecker aus, verschlafe ein bisschen, was ich sehr genieße, dann wecke ich meine Kinder und düse dann mit Sohn und/oder Lebensgefährtin in die Stadt zur Schule und Arbeit. Wichtig ist: Den ersten Kaffee trinke ich im Auto, den zweiten sofort auf der Station, und ungefähr ab da bin ich auch ansprechbar.

Leben bedeutet für mich …

Etwas Sinnvolles mit meiner Gegenwart zu tun. Dinge lernen, Interesse(n) haben. Mich in der Welt halbwegs zurechtfinden. Regelmäßig atmen.

Sterben bedeutet für mich …

… die letzte Lebensphase zum Tod hin, und von der hoffe ich, dass sie möglichst wenig unangenehm wird. Wenn ich mir die jungen Kolleginnen und Kollegen und die Studierenden ansehe, bin ich da, was meine Pflege und meine medizinische Versorgung betrifft, ziemlich optimistisch.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich habe jetzt, mit Mitte 40, festgestellt, dass ich eigentlich die großen Dinge, die ich im Leben schaffen wollte, erreicht habe. Das gibt mir Freiheit und das Gefühl, dass die Welt dadurch größer geworden ist.Kleinere Ziele: Einen ganzen Tag keine Süßigkeiten essen. Alle Teile von Final Fantasy nacheinander spielen. Einen Roman schreiben, der mehr als 300 Seiten hat. Alle Bücher endgültig richtig in die Regale sortieren. Den West Highland Way alleine ein zweites Mal gehen.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

… sicher Folge meines Berufs, in dem ich gelernt habe, dass es keine gute Idee ist, das Leben auf später zu verschieben.

Was würden Sie gern noch lernen?

Unter anderem: Leiterbahnen löten. Geduldig in Besprechungen sitzen. Philosophie verstehen. Smalltalk und Gartenarbeit mögen. Die perfekte Tomatensoße kochen. Ein gut organisierter Mensch sein.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Ich versuche, eine klare Grenze zwischen der Medizin und dem Rest meines Lebens zu ziehen und mir stets zu vergegenwärtigen, dass die medizinische Perspektive auch nur eine Form der Welterklärung ist. Ich verbringe daher viel Zeit mit Geschichten und in der Sprache, sei es in der Literatur, beim Lesen und beim Schreiben, oder sei es in Videospielen, ganz in dieser Art der Immersion.Was ich dazu vor allem brauche, ist Zeit, in der ich alleine und bei mir sein kann, an meinen beiden Rückzugsorten in meinem Haus, entweder bei Büchern, Papier und (zu vielen!) Füllfedern oder bei den (zu vielen!) alten Spielekonsolen, Kabeln & Platinen. Aus diesem Kokon kann ich dann wieder herauskommen und meine Energie meinen Lieben oder eben meiner Arbeit widmen.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Das müsste aber ein ganzer Tag und eine Zeitreise sein! Am Vormittag würde ich mit den Stoikern im antiken Rom (oder Athen) diskutieren, am Nachmittag mit Paul Celan und Ingeborg Bachmann im Paris der 1950er herumschlendern und den Abend ebendort mit Ernest Hemingway in den 1920ern verbringen. Den Kater danach könnte ich dank Zeitreise ja überspringen.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… mir Urlaub nehmen, meine Kopfhörer aufsetzen, den Tag genießen und mich darauf freuen, abends meine Lebensgefährtin fürchterlich erschrecken zu können.

Wie können Sie Christina Mayr-Pieper beschreiben?

Ich habe Christina kennengelernt, als ich Assistenzarzt an der Onkologie und sie die dort zuständige Psychologin war. Meine Oberärztin hat mir den Tipp gegeben, ich solle doch Christina bitten, an einem Diagnosegespräch teilzunehmen. „Das ist gut für die Patientin, und danach fragst du die Psychologin, was du besser machen hättest können, das ist gut für dich.“An das sehr wertschätzende und hilfreiche Feedback nach diesem Gespräch erinnere mich auch heute noch genau.Dass wir dann im Abstand von mehreren Jahren beide an dasselbe Spital gewechselt sind und dort wieder zusammenarbeiten, hat mich sehr gefreut.Ich kenne Christina als integre, durchsetzungsstarke und immer respektvolle Person, der es wunderbar gelingt – damals wie heute – komplexe psychische Abläufe und Beziehungsgeflechte so zu kommunizieren, dass sie für Nicht-Psycholog*innen verständlich werden. Das ist eine hohe Qualität und Multiprofessionalität im besten Sinn.Außerdem kann man ihr gut Klatsch und Tratsch austauschen und auch mal herumblödeln.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Fast immer sehr spät, aber sonst recht unterschiedlich – die Fixpunkte sind lediglich eine Dose Cola nach dem Abendessen und ein Buch, Artikel oder (Audio-)Doku im Bett vor dem Einschlafen.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Vielleicht.

Zur Person

Dr. David Fuchs ist Facharzt für Innere Medizin (Hämatologie/Onkologie) mit Spezialisierung in Palliativmedizin und leitet seit 2022 die Abteilung Palliative Care am Ordensklinikum Linz, Barmherzige Schwestern.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
10. November 2025

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