Handchir Mikrochir Plast Chir 2025; 57(05): 319-326
DOI: 10.1055/a-2687-6357
Originalarbeit

Selektive in vivo Kraftmessung oberflächlicher und tiefer Fingerbeugesehnen in Abhängigkeit von der Handgelenksposition

Selective in vivo force measurement of superficial and deep finger flexor tendons depending on wrist position

Autoren

  • Simon Bauknecht

    1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Michael Lebelt

    1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Martin Mentzel

    1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Thomas Engleder

    2   Institut für Medizintechnik und Mechatronik, Technische Hochschule Ulm, Ulm, Germany
  • Richard-Tobias Moeller

    1   Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Daniel Vergote

    3   Chirurgie III, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany

Zusammenfassung

Nach Beugesehnenverletzungen der Hand bestehen unterschiedliche Möglichkeiten der Weiterbehandlung. Diese können eingeteilt werden in passiv- und aktiv-dynamische Behandlungsregime. Die Auswahl der optimalen Weiterbehandlung richtet sich insbesondere nach den biomechanisch einwirkenden Kräften in der postoperativen Beübung der Finger. Es bedarf deshalb quantitativer biomechanischer Untersuchungen. In dem vorliegenden Experiment wurde untersucht, welche Kräfte in verschiedenen Handgelenkspositionen auf die oberflächlichen und tiefen Fingerbeugesehnen einwirken. Es wurde eine Messvorrichtung entwickelt mit deren Hilfe sich sowohl die Gesamtkräfte der Finger, als auch die isolierten Kräfte der oberflächlichen (FDS) und tiefen (FDP) Fingerbeugesehnen in vivo quantifizieren ließen. Die Auswertung der Messungen erfolgte am Zeige-, Mittel-, Ring- und Kleinfinger (D2 – D5) beider Hände von 50 Probanden, darunter 31 Frauen (62%) und 19 Männern (38%). Mittels mixed ANOVA wurden die Einflussfaktoren Händigkeit, Geschlecht, Finger und Handgelenksposition auf gegenseitige Abhängigkeit überprüft (p<0,05) und weiter mittels t-Tests und einfaktoriellen ANOVAs differenziert (p<0,05). Es zeigte sich eine statistisch signifikante Kraftreduktion der Fingerkräfte durch Beugung des Handgelenkes. An D3 wurden im Mittel die höchsten, an D5 die geringsten Kräfte registriert. Zwischen D2 und D4 zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Im Mittel wurden an D2, D3 und D4 höhere Kräfte durch den FDS als durch den FDP erreicht. An D5 zeigte sich ein umgekehrtes Kraftverhältnis mit einer höheren Kraftentwicklung des FDP. Die Summe der isolierten Kräfte des FDS und FDP ergab an D2 bis D4 rund 80%, an D5 waren es lediglich 60%. Die übrige Kraftentwicklung kann durch den Einfluss der Mittelhandmuskulatur und im Falle von D5 zusätzlich durch den M. flexor digiti minimi erklärt werden. Die Ergebnisse ermöglichen eine differenzierte Einschätzung der biomechanischen Kräfte bei aktiver Fingerbeugung.

Abstract

There are different options for further treatment following flexor tendon injuries of the hand. These can be divided into passive and active dynamic treatment regimens. The selection of the optimal further treatment depends primarily on the biomechanically acting forces during postoperative finger exercises. Quantitative biomechanical studies are therefore required. The present experiment examined which forces act on the superficial and deep finger flexor tendons in different wrist positions. A measuring device was developed with the help of which both the total forces of the fingers and the isolated forces of the superficial (FDS) and deep (FDP) finger flexor tendons could be quantified in vivo. The measurements were evaluated on the index, middle, ring and little fingers (D2 – D5) of both hands of 50 test subjects, including 31 women (62%) and 19 men (38%). The influencing factors handedness, gender, fingers and wrist position were checked for interdependence using mixed ANOVA (p<0.05) and further differentiated using t-tests and one-factor ANOVAs (p<0.05). There was a statistically significant reduction in finger strength by flexing the wrist. On average, the highest forces were recorded at D3 and the lowest at D5. There was no significant difference between D2 and D4. On average, higher forces were achieved at D2, D3 and D4 by the FDS than by the FDP. At D5 there was a reversed force relationship with a higher force development of the FDP. The sum of the isolated forces of the FDS and FDP at D2 to D4 was around 80%, at D5 it was only 60%. The remaining force development can be explained by the influence of the metacarpal muscles and, in the case of D5, also by the flexor digiti minimi muscle. The results enable a differentiated assessment of the biomechanical forces acting during active finger flexion.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 09. März 2025

Angenommen: 19. August 2025

Artikel online veröffentlicht:
22. Oktober 2025

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