PPH 2025; 31(05): 259
DOI: 10.1055/a-2633-7472
Rund um die Psychiatrie

Für Sie gelesen: Aktuelle Studien

Authors

  • Gitte Herwig

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Larsen SU, Bruun H, Christiansen LS et al. The Forensic Humor Project: An Interview Study on Forensic Mental Health Inpatients Experience With and Use of Humor. Journal of Forensic Nursing 2025. DOI:10.1097/JFN.0000000000000529

Hintergrund: Es gibt nur wenige Untersuchungen zur Bedeutung von Humor im Rahmen von Pflegenden-Patienten-Beziehungen in (forensisch-)psychiatrischen Kontexten. Einige Übersichtsarbeiten legen nahe, dass Humor in der Beziehung zwischen Personal und Patienten wichtig sein kann. Wenig untersucht sind die Perspektive und das Erleben der Patienten. Die vorliegende Studie untersuchte, wie Patienten den alltäglichen Umgang mit Humor von Personal und Patienten selbst wahrnehmen und welche Bedeutung er für sie hat.

Methode: Mit der Methodologie des symbolischen Interaktionismus wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt. Ziel war, zu verstehen, wie forensische Patienten das Phänomen des Humors charakterisieren und Patienten und Personal mit dem Humor interagieren und diesen interpretieren. Dazu wurden elf halbstrukturierte Einzelinterviews mit männlichen Patienten in einer forensischen Klinik in Dänemark geführt. Die Daten wurden einer thematischen Analyse unterzogen.

Ergebnisse: Fünf Themen wurden identifiziert. „Identität“: Humor schafft unter anderem eine Atmosphäre, in der Patienten die Möglichkeit haben, sie selbst zu sein und Normalität zu erleben. „Gemeinschaft und engere Beziehungen“: Gemeinsamer Humor signalisiert Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Zielen und schafft ein Gemeinschaftsgefühl. Darauf aufbauend können engere, vertrauensvolle Beziehungen entstehen. „Motivierende Sozialtherapie“: Aus positiven sozialen Interaktionen können humorvolle Handlungen Raum für den Beginn des therapeutischen Prozesses schaffen. „Lösung von Konflikten“: Humor kann Barrieren durchbrechen, die durch Beziehungen, schwierige Situationen oder Erfahrungen entstehen. „Macht: Einsicht, Kontext und Absicht“: Humor kann vom Pflegepersonal eingesetzt werden, wenn a) die notwendigen Kenntnisse über die Vorlieben des Patienten vorhanden sind, b) der Kontext angemessen ist, c) die humorvolle Bemerkung positiv gemeint ist.

Fazit: Die Studie verdeutlicht, dass Patienten in der forensischen Psychiatrie den Einsatz von Humor als vorteilhaft betrachten. Die fünf identifizierten Themen können dazu beitragen, ein therapeutisches Bündnis zu schaffen und Konflikte zu deeskalieren. Das Pflegepersonal ist verantwortlich für die Gestaltung der sozialen Dynamik, indem es die Grenzen eines akzeptablen Humors definiert. Reflexionen über die ethischen Implikationen des eigenen Humors sind daher zwingend notwendig.

Gitte Herwig

Rixe J, Neumann E, Schulz M et al. (2025). Interventionen bei sich zuspitzenden Krisensituationen in der stationären akutpsychiatrischen Behandlung – Ergebnisse einer inhaltsanalytischen Auswertung von Behandlungsvereinbarungen. Nervenheilkunde 2025; 43 (04): 198–202. DOI:10.1055/a-2515-8068

Hintergrund: Ein partizipativer Entscheidungsprozess („Shared Decision Making“) zwischen Patienten und Behandlern gewinnt in psychiatrischen Kontexten zunehmend an Bedeutung. Genutzt werden unter anderem gemeinsam ausgearbeitete Behandlungsvereinbarungen (BV), die handlungsleitende, nützliche Interventionen und Strategien bei der Verschärfung von Krisen beinhalten. Ziel ist es, auch in Phasen von eingeschränkter Handlungsfähigkeit im akutpsychiatrischen Setting die Selbstbestimmung und Partizipation des Patienten zu unterstützen und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. In Forschungsarbeiten konnten bisher keine signifikanten Effekte von BV in Bezug auf eine Verminderung von Zwangsmaßnahmen nachgewiesen werden, in der S3-Leitlinie Verhinderung von Zwang haben BV nur den Evidenzgrad 2.

Methode: Es wurde eine Sekundärdatenanalyse von 98 Behandlungsvereinbarungen durchgeführt. Sie beruht auf der Advance Directives in Psychiatry (ADiP)-Studie, einer multizentrischen randomisiert kontrollierten Studie, die in Deutschland zwischen 2018 und 2020 durchgeführt wurde. Die Teilnehmenden hatten überwiegend eine Schizophrenie (70,7 %), waren durchschnittlich 38,9 Jahre alt, 59,6 % der Teilnehmenden waren männlich.

Ergebnisse: Die meistgenannten Interventionen, die aus Patientenperspektive vereinbart werden sollten, wenn sich Krisensituationen zuspitzen, waren: 1) Rückzug in eine reizarme Umgebung (64,3 %); 2) Gespräch (62,2 %); 3) Spaziergang (57,1 %); 4) Hinzuziehen einer Vertrauensperson (43,9 %); 5) Musik hören/machen (41,85 %). Eine Einzelbetreuung durch eine Sitzwache wurde nur von neun Personen (9,2 %) favorisiert. Ausschließlich männliche Personen (n = 8) sprachen sich für die Einnahme von Bedarfsmedikation aus. Hier zeigte sich über die gesamte Studie hinweg ein signifikanter Unterschied (p = 0,020), bezogen auf das Geschlecht.

Fazit: Auf der Basis von BV lassen sich nützliche Impulse für sich verschärfende Krisensituationen ableiten. Als besonders positiv wurden der Rückzug in eine reizarme Umgebung, Gespräche und Spaziergänge empfunden. Bei männlichen Patienten kann das Anbieten von Medikation vorteilhaft sein.

Gitte Herwig



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
23. September 2025

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