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DOI: 10.1055/a-2615-3465
Diabetes & Künstliche Intelligenz: Wegbereiter für personalisierte Medizin

Die globale Diabetes-Epidemie – heute mit über 537 Millionen Betroffenen – stellt eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Angesichts steigender Prävalenz und Kosten wächst gleichzeitig das Interesse an Technologien, die effiziente, individuelle Therapien ermöglichen. Künstliche Intelligenz (KI) gilt dabei als Schlüsseltechnologie: Sie verspricht intelligente Überwachung, Prognosen und Therapieoptimierung – und könnte damit die klassische Diabetesbehandlung revolutionieren.
Maschinelle Lernverfahren analysieren große Datenmengen – von elektronischen Gesundheitsakten bis hin zu Biomarkern – und helfen, Typ-2-Diabetes früh vorherzusagen. Aktuelle Studien zeigen, dass multimodale KI-Modelle (z. B. auf Basis von E-Health-Daten) gegenüber unimodalen deutlich leistungsfähiger sind, allerdings klinisch noch selten extern validiert wurden. Hier liegt großes Potenzial: Früherkennung und gezielte Prävention könnten Folgeerkrankungen wie kardiovaskuläre Schäden oder diabetische Nephropathie wirksam vermeiden helfen.
KI kann weit mehr als diagnostizieren und vorhersagen, Prognosen abgeben – neueste Studien zeigen: Dynamische Insulinsteuerungen via KI-Systeme erhöhen die Zeit im Zielbereich („time in range“, TIR) und senken den HbA₁c. Anwendungen wie etwa durch Reinforcement Learning können personalisierte Insulindosierungen erzeugen, die auf individuelle Blutzuckerantworten adaptiv reagieren. Diese KI-Anwendungen werden intensiv beforscht, um diese in eine breitere Anwendung zu bringen. Neben Vorhersagen und Insulinanpassungen sind weitere KI-Nutzungen in Erprobung und nutzbar in der Zukunft.
Ein weiteres Feld der KI-Anwendung ist das retinale Screening auf diabetische Retinopathie: Deep-Learning-Netze erreichen dort Sensitivitäten von bis zu 0,97 und Spezifität von 0,96. KI-gestützte Gesprächssysteme („Chatbots“) können zudem Patienten im Alltag begleiten – vom Mahlzeitenmanagement bis zur App-basierten Therapieerinnerung – und tragen zur Entlastung des Gesundheitssystems und Stärkung der Selbstwirksamkeit und Gesundheitskompetenz bei.
Kritisch anzumerken ist jedoch, dass Transparenz, Datenschutz, Fairness und Validierung der KI-Anwendungen tatsächlich zu verbessern sind. Viele KI-Systeme operieren als „Black Box“ – ohne nachvollziehbare Entscheidungslogik – und riskieren systematische Verzerrungen bei nicht-repräsentativen Datensätzen. Es werden also methodisch gut vorbereitete und standardisierte Studien (RCTs) benötigt, die KI-Anwendungen untersuchen.
Künstliche Intelligenz bietet bei der Diabetesversorgung enorme Chancen: von Prävention über Diagnose bis zur Therapieoptimierung. Doch ihr Potenzial kann nur ausgeschöpft werden, wenn Algorithmen transparent, fair validiert und unter Einhaltung ethischer Standards eingesetzt werden. Die Zukunft gehört smarten, patientenzentrierten Systemen – vorausgesetzt, Politik, Forschung und Industrie gestalten die digitale Transformation mit Augenmaß.
Ihre A. Bergmann und Ihr E. P. H. Schwarz
Publication History
Article published online:
14 August 2025
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Georg Thieme Verlag KG
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