Zentralbl Chir 2025; 150(03): 254-255
DOI: 10.1055/a-2603-9353
Thoraxchirurgie
Editorial

Lungentransplantation – verleiht mehr als Flügel

Clemens Aigner
1   Universitätsklinik für Thoraxchirurgie, Medizinische Universität Wien, Wien, Österreich (Ringgold ID: RIN27271)
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Lungentransplantation – verleiht mehr als Flügel

Die Lungentransplantation ist eine etablierte Therapieoption für funktionelle Lungenerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium und zählt zu den technisch anspruchsvollsten Eingriffen der Thoraxchirurgie. Durch zahlreiche Weiterentwicklungen konnten nicht nur die Lebenszeit, sondern auch die Lebensqualität von Patient*innen nach einer Lungentransplantation deutlich verbessert werden. Diese Ausgabe des Zentralblatts für Chirurgie zeigt Fortschritte in wesentlichen Bereichen der Lungentransplantation auf und bietet einen Überblick über aktuelle Chancen und Herausforderungen.

Unterschiede in der Verfügbarkeit und Akzeptanz von Organspender*innen führen zu regional unterschiedlichen Wartezeiten und damit auch unterschiedlichen Strategien in der Indikationsstellung. Die zuletzt 2021 aktualisierten Empfehlungen der ISHLT zur Listung [1] bieten einen guten Anhalt zur Risikostratifizierung, wobei die interdisziplinäre und multiprofessionelle Entscheidungsfindung sowie die frühzeitige Vorstellung eine wichtige Rolle spielen. Neu verfügbare Therapiemöglichkeiten bei Mukoviszidose, pulmonaler arterieller Hypertonie, Hepatitis und anderen Erkrankungen führen zu einer laufenden Weiterentwicklung dieser Listungskriterien, die in dieser Ausgabe kompakt dargestellt werden [2].

Bei COPD-Patient*innen existieren mit der Volumenreduktion sowohl chirurgische als auch interventionelle Therapieansätze, die eine Ergänzung zur Lungentransplantation darstellen und sequenziell zur Anwendung kommen können, um eine möglichst nachhaltige funktionelle Verbesserung zu erzielen. Ein Überblick über die chirurgischen Strategien und Langzeitergebnisse wird in dieser Ausgabe des Zentralblatts für Chirurgie gegeben [3].

Extrakorporale Verfahren haben sich in der Lungentransplantation und in anderen thoraxchirurgischen Behandlungsverfahren von reinen Notfallmaßnahmen zu planbaren Unterstützungsstrategien entwickelt. Sowohl bei akuter Verschlechterung als „Bridge-to-Transplant“ als auch zum intraoperativen Support steht ein breites Spektrum an technischen Möglichkeiten und Kanülierungsverfahren zur Verfügung, das eine individualisierte Unterstützung ermöglicht. Auch in der unmittelbar postoperativen Phase spielt die extrakorporale Membranoxygenierung eine wichtige Rolle bei der Vermeidung und Behandlung des primären Lungenversagens [4]. Dies ist insbesondere in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie ein entscheidender Faktor. Dieses Krankheitsbild stellt besondere Anforderungen an das perioperative Management und entwickelt sich durch neue medikamentöse Behandlungen und verfeinerte Therapiealgorithmen sehr dynamisch [5].

Entscheidend für die Verbesserung der Langzeitüberlebensraten nach Lungentransplantation sind – neben der Indikationsstellung und dem perioperativen Management – ein tieferes Verständnis der immunologischen Vorgänge nach der Lungentransplantation und eine Weiterentwicklung der Möglichkeiten zur Immunsuppression und Immunmodulation. Fortschritte im immunologischen Matching zwischen Spender und Empfänger, in der Diagnostik und Therapie der antikörpervermittelten Abstoßung sowie bei der Induktions- und Erhaltungsimmunsuppression und beim Immunmonitoring tragen zu einem längeren Funktionserhalt und besseren Überleben bei [6].

Parallel dazu führen Verbesserungen in der Organpräservation sowie die Möglichkeit der Ex-vivo-Evaluation von Spenderorganen zu einer relevanten Änderung der Logistik und Planbarkeit der Lungentransplantation.

Moderne Lungentransplantation ist mehr als nur reiner Organersatz. Verfeinerte Patient*innenselektion, chirurgische und interventionelle Alternativverfahren, multidisziplinäre Entscheidungsfindung und individualisierte Therapiestrategien sind entscheidend und tragen maßgeblich zur nachhaltigen Verbesserung des Langzeitüberlebens bei.

Univ.-Prof. Dr. Clemens Aigner, MBA, FETCS



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
03. Juni 2025

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