Nervenheilkunde 2025; 44(09): 539
DOI: 10.1055/a-2582-4582
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Krisen im Großen wie im Kleinen – Akutpsychiatrie im Brennpunkt der Gegenwart

Maximilian Huhn
Beyreuth
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

wir leben in einer Zeit, in der „akut“ zum Grundmodus geworden ist: Klima, Krieg, Krisen – die Welt scheint im permanenten Alarmzustand. Während auf globaler Ebene Gipfeltreffen, Sicherheitskonferenzen und Sonderhaushalte Abhilfe schaffen sollen, steht in der Akutpsychiatrie ein ganz anderes „Krisenmanagement“ im Fokus: das persönliche, menschliche – oft unter hohem Zeitdruck, mit begrenzten Ressourcen und dennoch dem Anspruch auf therapeutische Qualität.

Dieses Themenheft entstand schwerpunktmäßig am Bezirkskrankenhaus Bayreuth, einem Teil des Medizincampus Oberfranken; einem Ort, an dem Versorgungsrealität, klinische Expertise und Forschung ineinandertreffen. Hier werden alle Fachbereiche der Psychiatrie – von der Kinder- und Jugendpsychiatrie über die Gerontopsychiatrie bis zur forensischen Psychiatrie – nicht nur nebeneinander betrieben, sondern gemeinsam weiterentwickelt.

Das Heft beginnt mit einem Beitrag zu akuten Erregungszuständen – Notfallsituationen mit hoher Dynamik und begrenzter Evidenzbasis, nicht zuletzt, weil randomisierte Studien an agitierten Patienten auf Grund ethischer Probleme kaum durchführbar sind. Weitere Beiträge widmen sich psychodynamisch-integrativer Hochdosispsychotherapie, Krisen im Jugendalter, der Herausforderung Borderline im stationären Setting sowie akuten Depressionen und schizophrenen Episoden in der forensischen Psychiatrie – inklusive EKT, Ketamin & Co.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf einem Versorgungsangebot, das Seltenheitswert hat: der heilpädagogischen Station H für Menschen mit Intelligenzminderung und psychiatrischen Krisen. Hier zeigt sich, wie niederschwellige, beziehungsorientierte und alltagspraktische Konzepte nicht nur deeskalieren, sondern auch langfristig stabilisieren – ein Beispiel dafür, dass Akutpsychiatrie weit mehr kann als „Krisen löschen“ im Sinne einer symptomorientierten „Feuerwehrmedizin“.

Kurz zusammengefasst: Dieses Heft ist ein Plädoyer für eine moderne Akutpsychiatrie – realistisch in ihren Rahmenbedingungen, aber ambitioniert in ihrem Anspruch. Für eine Psychiatrie, die den Menschen nicht auf seine Krise reduziert, sondern sich zum Ziel setzt, ihm auch unter Zeitdruck mit therapeutischer Kompetenz und empathischer Haltung zu begegnen.

Ich danke allen Autoren herzlich für ihre Beiträge und wünsche Ihnen beim Lesen neue Impulse – vielleicht auch die ein oder andere Erkenntnis für Ihre nächste „kleine Weltkrise“ im Stationsalltag.

PD. Dr. med. Maximilian Huhn, Beyreuth



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Article published online:
12 September 2025

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