PSYCH up2date 2025; 19(03): 253-266
DOI: 10.1055/a-2563-0934
Persönlichkeitsstörungen, Impulskontrollstörungen und dissoziative Störungen

Dissoziation – eine interdisziplinäre Herausforderung

Patricia Fonseca
Preview

Dissoziative Phänomene erfordern zunehmend neurologische sowie psychiatrische Aufmerksamkeit in Praxis und Klinik, um sie frühzeitig zu erkennen und zu diagnostizieren und den Patienten eine entsprechende Behandlung zukommen zu lassen. In diesem Artikel werden die dissoziativen Störungen unter Berücksichtigung der neuen Klassifikation der ICD-11 vorgestellt sowie entsprechende diagnostische und therapeutische Maßnahmen beschrieben.

Kernaussagen
  • In der ICD-11 werden die dissoziativen Störungen als unwillkürliche Unterbrechung der normalen Integration eines oder mehrerer der Bereiche Identität, Empfindungen, Wahrnehmungen, Affekte, Gedanken, Erinnerung, Kontrolle der Körperbewegung oder Verhalten definiert.

  • Dissoziation reicht von Absorptionsphänomenen im Alltag über Defizite auf kognitiv-psychischer Ebene wie Merkfähigkeits- oder Auffassungsstörungen oder mnestischen Defiziten im Sinne von dissoziativen Bewusstseinsstörungen bis hin zu neurologisch-dissoziativen Störungen mit nicht epileptischen Anfällen, Schwindel oder Bewegungsstörungen.

  • Die Diagnose erfordert eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine umfassende somatische Abklärung. Die Diagnose der DIS sollte auf Empfehlung der WHO nur von Fachexperten vergeben bzw. ausgeschlossen werden. Jedoch fehlt die genaue Definition eines „Fachexperten“.

  • Dissoziative Störungen gehen mit einer hohen Komorbidität für andere psychiatrische Erkrankungen einher, insbesondere affektive Störungen, PTBS und Borderline-Persönlichkeitsstörung.

  • Man geht von einer multifaktoriellen Genese aus, die genaue Ätiopathogenese ist jedoch noch ungeklärt und Gegenstand vieler Studien.

  • Die Behandlung der dissoziativen Störung ist durch die meist späte Diagnosestellung, die oft mit einer Chronifizierung der Erkrankung, Suizidalität und rezidivierenden Krankenhausaufenthalten einhergeht, sehr kostenintensiv.

  • Die Psychotherapie ist der Goldstandard der dissoziativen Störung. Es wird ein phasenorientiertes Vorgehen empfohlen: in Phase 1 Stabilisierung, Selbstwirksamkeit und Sicherheit, in Phase 2 eine Traumaexposition.

  • Medikamentös sollten vor allem bestehende Komorbiditäten behandelt werden. Für die dissoziative Störung ist die psychopharmakologische Therapie Off-Label.



Publication History

Article published online:
08 May 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany