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DOI: 10.1055/a-2550-3305
Kommentar zu: Versteifung der Lendenwirbelsäule: Expandierbare versus starre Korbimplantate
Authors
Innovationen sind zentral für medizinischen Fortschritt und sollten helfen, Behandlungssicherheit und Behandlungsergebnisse zu verbessern. Für die ventrale Abstützung bei thorakolumbalen Spondylodesen mittels TLIF oder PLIF sind in den vergangenen Jahren zunehmend expandierbare Interbody Spacer auf den Markt gekommen. Die Vorteile dieser neuartigen Implantate liegen auf der Hand: durch ihre geringe Größe im kollabierten Zustand ist das Einbringen ins und Platzieren im ehemaligen Diskalfach vereinfacht und eine Expansion „in situ“ kann helfen den intervertebralen Abstand zu erhöhen (hierdurch „indirekt“ den Spinalkanal und die Foramen zu dekomprimieren) und die gewünschte segmentale Lordose zu generieren. Dies vereinfacht insbesondere perkutane, minimalinvasive TLIF-Eingriffe, bei denen oftmals ein besonders kleiner Zugang zum Diskalfach genutzt wird und das temporäre Aufspreizen zum Einbringen eines großen, statischen Cages erschwert sein kann.
Nach einer anfänglichen Euphorie unter Wirbelsäulenchirurgen hat sich jedoch zunehmend Ernüchterung breit gemacht, da vergleichende Studien oftmals keine wirklichen Vorteile bez. Komplikationsraten oder Behandlungsergebnissen aufzeigen. Zudem schlägt die komplexere Technik der expandierbaren Spacer mit ca. 3–4-fach teureren Implantatepreisen zu Buche. Spezifische Implantate wiesen gar biomechanisches Versagen auf, mit Nachweis von progredienter Kollabierung im postoperativen Verlauf, was bei einigen Patienten zu Pseudarthrosen und Revisionen, z.T. der Notwendigkeit von risikoreicher Explantation der Spacer führte [1]. Hatten Chirurgen zunächst die Hoffnung „Cage Subsidence“ (CS) durch kontrolliertes Expandieren unter seriellem Röntgen verhindern zu können, zeigen sich in der überwiegenden Anzahl vergleichenden Studien höhere CS-Raten bei expandierbaren Implantaten [2] [3] [4]. Auch die hier vorgestellte Studie von Crawford et al. der Harvard Medical School zeigt an einer relativ großen Kohorte von 417 Patienten mit degenerativen Erkrankungen und 1-Höhen TLIF (306 mit statischen, 111 mit expandierbaren Spacern versorgt), dass CS mehr als doppelt so häufig bei expandierbaren Implantaten beobachtet wurde (14.1% vs. 6.6%, p=0.04) mit entsprechendem Verlust an intervertebraler Höhe und segmentaler Lordose.
Unsere eigene Erfahrung mit expandierbaren TLIF Spacern an n=433 Patienten und 538 Segmenten weist eine noch höhere, und über das postoperative Intervall graduell ansteigende CS-Rate auf: 8.4% intraoperativ, 19.0% vor Entlassung, 28.3% nach 3 und 36.1% nach 12 Monaten [5]. Zu erwähnen ist, dass unsere Ergebnisse in einer deutlich älteren und kränkeren Patienten-Kohorte erzielt wurden, in der infektiöse, traumatische und neoplastische Indikationen bei entsprechend schlechter Knochenqualität eingeschlossen wurden und ca. 60% der Patienten mehrsegmentale, mehr als ein Drittel gar langstreckige thorakolumbale Fusionen erhielt. Unabhängige Risikofaktoren für CS bei expandierbaren Spacern waren hoher ASA-Score (Grad 3&4), Indikation, untere LWS (L3/4 bis L5/S1), kleinere Cage-Größe und mehr dorsale Platzierung des Cages im Diskalfach [5].
Warum das CS-Risiko durch den Einsatz von expandierbaren Spacern nicht gesenkt, allenfalls sogar erhöht wird kann aktuell nur spekuliert werden. Die Möglichkeit, den kollabierten Spacer ohne viel Vorarbeit – dadurch z.T. ohne ordentliches segmentales Release – in das Diskalfach einzubringen kann verlockend sein. Es ist jedoch kontraproduktiv, den Expansionsmechanismus des Spacers wie ein Wagenheber für das intervertebrale Aufspreizen oder die Relordosierung missbrauchen zu wollen. Das haptische Feedback beim Öffnen der Spacer reicht nicht aus, um zwischen einem ausreichenden Pressfit und dem Zeitpunkt zu differenzieren, bei dem der Einbruch in die Deck- oder Bodenplatte bereits erfolgt ist. Wenn das Bewegungssegment sorgfältig mobilisiert, der Spacer bei weit aufgespreiztem Fach eingebracht, so nahe wie möglich am ventralen Anulus platziert, und fluoroskopisch-kontrolliert expandiert wird, bis dass ein knapper Kontakt zu beiden intakten Endplatten hergestellt ist, kann CS mit expandierbaren TLIF-Implantaten in den meisten Fällen vermieden werden. Allerdings kann nach einer derartig intensiven Vorarbeit auch ein statischer Cage mit ähnlich hohem Aufwand und deutlich geringerem Implantatpreis eingebracht werden.
Für die Anwendung als TLIF oder PLIF Cage scheinen expandierbare Implantate die an sie – zu Recht – hohen Erwartungen aktuell nicht in dem Ausmaß zu erfüllen wie erhofft. Dennoch erscheint eine Weiterentwicklung des Konzeptes mit expandierbaren Implantaten sinnvoll zu sein. Zum einen zeichnet sich ein Trend hinsichtlich des zunehmenden Einsatzes von expandierbaren Spacern i.R. von endoskopisch assistierten Fusionen ab. Durch die winzigen Trokare können lediglich expandierbare Implantate im Diskalfach ausreichend Höhe erreichen, sodass sie verklemmen und eine solide ventrale Abstützung ermöglichen. Zum anderen kann durch die Expansion neuerer Implantate sowohl in der Höhe als auch in der Breite die Kontaktfläche vom Spacer zu den Endplatten vergrößert werden, was das Risiko von CS mit neueren Implantate-Designs verringern sollte.
In Zeiten von zunehmendem Kostendruck in wirbelsäulenchirurgischen Kliniken erscheint es jedoch aktuell ratsam den Einsatz von expandierbaren TLIF/PLIF Implantaten außerhalb von speziellen Indikationen kritisch zu hinterfragen.
Publication History
Article published online:
20 October 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Hejrati N, Martens B, Jost B. et al. Failure of an expandable lumbar interbody spacer – a critical analysis of secondary collapse, pseudoarthrosis and revision rates after thoracolumbar fusion. Eur Spine J 2024;
- 2 Armocida D, Pesce A, Cimatti M. et al. Minimally Invasive Transforaminal Lumbar Interbody Fusion Using Expandable Cages: Increased Risk of Late Postoperative Subsidence Without a Real Improvement of Perioperative Outcomes: A Clinical Monocentric Study. World Neurosurg 2021; 156: e57-e63
- 3 Crawford AM, Striano BM, Bryan MR. et al. Expandable versus static transforaminal lumbar interbody fusion (TLIF) cages: comparing radiographic outcomes and complication profiles. Spine J 2025; 25: 237-243
- 4 Stickley C, Philipp T, Wang E. et al. Expandable cages increase the risk of intraoperative subsidence but do not improve perioperative outcomes in single level transforaminal lumbar interbody fusion. Spine J 2021; 21: 37-44
- 5 Stienen MN, Bertulli L, Battig L. et al. Development and internal validation of a risk score for subsidence of expandable spacers in transforaminal lumbar interbody fusion (TLIF) surgery. Brain Spine 2025; 5: 104322
