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DOI: 10.1055/a-2550-3295
Kommentar zu: Thorakolumbale Berstungsfrakturen: Operation versus konservative Therapie
Authors
Bis heute wird die Versorgung thorakolumbaler Berstungsfrakturen ohne assoziiertem neurologischen Defizit kontrovers diskutiert und es bestehen weltweit einschlägige Unterschiede in der von Experten präferierten Therapiestrategie. Während bspw. in Nordamerika vorrangig die konservative Behandlung propagiert wird, werden diese Frakturen in Europa primär operativ versorgt, wobei dies vor allem mit einem verbesserten radiologischen Alignment und einem schnelleren Rückgang der Fraktur-assoziierten Beschwerden nach operativer Behandlung begründet wird.
In der vorliegenden Studie des AO Spine Trauma and Infection Knowledge Forums wird im Rahmen einer prospektiven internationalen multizentrischen Studie das Outcome operativ versorgter Patienten mit dem konservativ versorgter Patienten hinsichtlich des Erreichens der minimalen klinisch relevanten Differenz (MCID) im Oswestry Disability Index (ODI) nach A3- und A4-Verletzungen ohne neurologischem Defizit verglichen. Dabei zeigen die Autoren, dass sich nach einem Jahr weder der absolute ODI noch die Anzahl an Patienten, die nach einem Jahr die MCID erreichten, oder der Zeitraum, der zum Erreichen der MCID benötigt wurde, signifikant zwischen den beiden Gruppen unterscheidet. Auch die Zeit bis zum Wiedereintritt in den Beruf unterschied sich nicht signifikant zwischen den Behandlungsstrategien. Zwar handelt es sich hier nicht um eine randomisierte Studie und die Behandlung wurde je nach Präferenz des jeweiligen Chirurgen durchgeführt, jedoch wird damit die Realität in der klinischen Versorgung abgebildet und durch den weltweiten Patienteneinschluss wurde ein regional bedingter Bias vermieden.
Mit den gezeigten Ergebnissen stellt die Studie die auch in Deutschland vorwiegend durchgeführte operative Versorgung von thorakolumbalen Berstungsfrakturen klar infrage und unterstützt damit Arbeiten, die in Zusammenfassung der bestehenden Evidenz keine Überlegenheit der operativen über der konservativen Therapie thorakolumbaler Berstungsfrakturen ohne neurologischem Defizit hinsichtlich der Lebensqualität feststellen [1]. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Evidenzlage aufgrund der häufig retrospektiven Untersuchungen mit niedrigen Patientenzahlen sowie der Heterogenität der Studien bis heute schlecht ist. Die vorliegende Arbeit des AO Spine Trauma and Infection Knowledge Forums liefert daher weitere wichtige Evidenz zur Versorgung dieses relevanten Patientenkollektivs.
Sollten basierend auf der aktuellen Literatur also alle Patienten mit thorakolumbalen Berstungsfrakturen ohne neurologischem Defizit konservativ behandelt werden? Ganz so leicht lässt sich der Konflikt leider immer noch nicht lösen. In einer ebenfalls kürzlich publizierten Arbeit der gleichen Arbeitsgruppe zeigt sich, dass die operativ versorgte Gruppe hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Analyse besser abschneidet als die konservativ versorgte Gruppe. Dies liegt insbesondere an der höheren Nutzung des Gesundheitssystems bei gleichzeitig mehr verlorenen Arbeitstagen in der konservativen Gruppe [2].
Zum anderen bleibt zu diskutieren, inwieweit das radiologische Ergebnis der Frakturversorgung Langzeitfolgen wie eine progrediente Kyphosierung mit sich bringt und inwieweit damit langfristig doch eine Einschränkung der Lebensqualität und damit verbunden die Notwendigkeit einer späteren operativen Versorgung einhergeht. Hierfür wäre interessant zu untersuchen, welche initial konservativ behandelten Patienten schließlich doch schmerzbedingt eine Operation benötigen, wie auch in dem Patientenkollektiv der vorliegenden Studie in 3 Fällen im Rahmen des zweijährigen Follow-Ups gezeigt wurde. Auch die möglicherweise bestehenden Differenzen im Outcome verschiedener Versorgungsstrategien je nach genauem Frakturtyp muss in zukünftigen Untersuchungen sicher noch genauer betrachtet werden.
Die Frage nach der optimalen Versorgung thorakolumbaler Berstungsfrakturen ohne assoziiertem neurologischen Defizit wird uns also sicherlich auch in Zukunft noch vor Herausforderungen stellen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch der konservativen Therapie ein relevanter Stellenwert zugeschrieben werden sollte und zukünftige Studien insbesondere das Langzeitergebnis in den Fokus stellen müssen.
Publication History
Article published online:
20 October 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Rometsch E, Spruit M, Härtl R. et al. Does Operative or Nonoperative Treatment Achieve Better Results in A3 and A4 Spinal Fractures Without Neurological Deficit?: Systematic Literature Review With Meta-Analysis. Global Spine J 2017; 7: 350-372
- 2 Dandurand C, Öner CF, Schnake KJ. et al. Surgical versus nonsurgical treatment of thoracolumbar burst fractures in neurologically intact patients: a cost-utility analysis. Spine J 2025; 25: 1494-1507
