physiopraxis 2025; 23(05): 1
DOI: 10.1055/a-2538-7044
Editorial

Die Guten werden besser, die Schlechten schlechter

Anna Zwerenz

Kürzlich war ein Rheumatologe zur physiotherapeutischen Behandlung bei mir. Er erzählte mir von einem Fall aus seiner Praxis: Eine Patientin war von ihrer Hausärztin zur Abklärung dutzender rheumatologischer Diagnosen zu ihm geschickt worden. Er wunderte sich darüber, dass diese teils widersprüchlich waren. Die Patientin erzählte, die Ärztin habe sämtliche Symptome abgefragt, in ihre KI eingetippt und die Diagnosen herausgeschrieben, ohne sie zu befunden. Schließlich stellte sich heraus, dass es keine der KI-Diagnosen war, sondern eine aktivierte Arthrose.

Dieses Erlebnis verdeutlicht, wie rasant die Künstliche Intelligenz in unseren Alltag eindringt und unser mühsam erlerntes medizinisches Wissen herausfordert. Aber kann sie wirklich eine medizinische Untersuchung und Diagnose ersetzen? Nicht unbedingt.

Die Guten werden besser, die Schlechten schlechter. Für diejenigen mit fundiertem medizinischen Wissen und gutem Clinical Reasoning kann die KI ein wertvolles Werkzeug sein, um schnellere und genauere Diagnosen zu stellen. Wer jedoch über wenig Fachwissen verfügt und sich blind auf die KI verlässt, riskiert, seine Fähigkeiten zu verschlechtern. Dinge einordnen und bewerten zu können wird weiterhin wichtig bleiben. Wir müssen neugierig und kreativ bei der Anamnese und Befundung sein, denn was keine KI leisten kann, ist Zuhören, Ansehen, Anfassen und eine empathische Beratung. Bewahren wir also diese essenziellen Fähigkeiten.

Nutzen wir die Möglichkeiten der modernen Technik, ohne unser medizinisches Fundament und unsere Menschlichkeit aufzugeben.

Herzlich

ANNA ZWERENZ

Physiotherapeutin und Themenscout



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. Mai 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany