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DOI: 10.1055/a-2537-9103
Rechtliche Rahmenbedingungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in der außerklinischen Kinderintensivpflege

Der Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen im Kontext der außerklinischen Kinderintensivpflege ist in der Praxis immer wieder mit Fragen zur rechtssicheren Handhabung verknüpft. Die elterliche Sorge, geregelt in § 1626 BGB, umfasst das Recht und die Pflicht der Eltern, für ihr minderjähriges Kind Sorge zu tragen. In diesem Rahmen sind sie grundsätzlich berechtigt, Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen zu treffen, allerdings unter Beachtung der Einschränkungen gem. § 1631b Abs. 2 BGB.
Gem. § 1631b Abs. 2 BGB ist eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich, wenn einem Kind, das sich in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung befindet, die Freiheit durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder in sonstiger Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig in nicht altersgerechter Weise entzogen werden soll.
Unter Freiheitsentziehung versteht man jede gezielte Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer Person, beispielsweise durch mechanische Vorrichtungen (wie Bettgitter oder Fixierungen), Medikamente oder auf andere Weise, die verhindern, dass das Kind den jeweiligen Aufenthaltsort verlässt. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist das Mittel der Freiheitsentziehung letztendlich relativ unerheblich, maßgeblich ist, dass das Kind dadurch am Verlassen seines Aufenthaltsorts gehindert werden soll (vgl. BT-Drs. 18/11278, S. 17). Zudem muss der Freiheitsentzug der primäre Zweck der Maßnahme sein, nicht lediglich eine unbeabsichtigte Nebenwirkung. Sofern eine Maßnahme einem anderen Zweck dient (z. B. zur körperlichen Stabilisierung oder Atmungserleichterung) und die Bewegungseinschränkung lediglich eine Nebenwirkung darstellt, besteht kein gerichtliches Genehmigungserfordernis.
Die Regelung des § 1631b Abs. 2 BGB setzt weiter voraus, dass die Maßnahme entweder über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig erfolgt. Wann ein längerer Zeitraum vorliegt, hängt von der Intensität der Freiheitsentziehung ab. Je intensiver der Eingriff, desto eher wird ein genehmigungsbedürftiger längerer Zeitraum angenommen. Eine Maßnahme ist hingegen regelmäßig, wenn sie stets zur selben Zeit erfolgt (z. B. Bettgitter in der Nacht) oder aus wiederkehrendem Anlass (z. B. Festhalten oder Fixieren bei Selbstverletzungsgefahr).
Die Vorschrift gilt für Minderjährige in Krankenhäusern, Heimen und sonstigen Einrichtungen (z. B. Kindertagesstätten oder Schulen), jedoch nicht für den elterlichen Haushalt, da dort die elterliche Kontrollmöglichkeit gegeben ist.
Liegen die Voraussetzungen des § 1631b Abs. 2 BGB vor, ist eine vorherige Genehmigung durch das zuständige Familiengericht erforderlich. Eine vorübergehende Freiheitsentziehung ohne Genehmigung ist lediglich dann zulässig, wenn andernfalls eine akute Gefährdung des Kindes einträte; in diesem Fall ist die Genehmigung unverzüglich nachzuholen.
Im Rahmen der außerklinischen Kinderintensivpflege ist neben dem Schutz des Kindes vor Selbstgefährdung (z. B. durch Stürze) auch darauf zu achten, die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte nicht unverhältnismäßig einzuschränken. Daher sind freiheitsentziehende Maßnahmen erst nach Ausschöpfung aller pflegerischen und medizinischen Alternativen zu erwägen. Sie sollten ausschließlich dann und auch nur für die unbedingt erforderliche Dauer in Betracht gezogen werden, wenn keine andere Möglichkeit besteht, das Kind vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren.
Vor der Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen sollte eine bestenfalls schriftliche Genehmigung der sorgeberechtigten Eltern eingeholt werden. Mündliche Absprachen hierzu mit den Eltern sollten auf jeden Fall unverzüglich in der Pflegedokumentation fixiert werden. Wird das Kind in einer Einrichtung (z. B. Kindertagesstätte oder Schule) mit Leistungen der außerklinischen Intensivpflege versorgt, ist neben dieser elterlichen Genehmigung zusätzlich von den Eltern die Vorlage einer gerichtlichen Genehmigung anzufordern, um rechtliche Sicherheit in der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen zu gewährleisten.
Redaktion BHK-Mitteilung: Corinne Ruser
Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e. V.
Hospitalstraße 12
01097 Dresden
Tel.: 0351/65289235
Fax: 0351/65289236
Verantwortlich für den Inhalt zeichnet der Vorstand des BHK e. V.,
i. A. Corinne Ruser.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
03. Juni 2025
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