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DOI: 10.1055/a-2528-8021
Von der Freiheit, selbst all das, was man gerne tun möchte, auch das nicht wirklich tun zu müssen
Prof. Dr. med. Ingrid Moll im Gespräch mit Prof. Dr. med. Roland Kaufmann


Warum haben Sie die Dermatologie als Fachgebiet gewählt?
Weil ich ganz anders als bei meiner Frau eine Liebe auf den zweiten Blick entwickelte. Als Student fand ich dieses Fach vollkommen uninspirierend. Nach 2-jähriger Assistenzzeit in der Inneren und einem gewissermaßen inneren Reifungsprozess ist aus dem absoluten „No Go“ ein „First Choice“ geworden, nicht zuletzt aufgrund der uns allen bekannten vielseitigen Facetten unserer interdisziplinär eingebundenen Spezialität.
Sind Sie mit Ihrer Wahl zufrieden und warum?
Ja, weil ich nach all den vielen Jahren und Erlebnissen jederzeit wieder so entscheiden würde. Der tägliche Umgang mit allen Altersgruppen, mit beiden Geschlechtern, mit einer einmaligen differenzialdiagnostischen Herausforderung, mit operativen wie konservativen Methoden und obendrein gerade im Endspurt meiner Klinikerzeit die beständigen Innovationen sowohl diagnostisch als auch therapeutisch.
Sie haben in Ihrer Karriere viel erreicht. Worauf sind Sie besonders stolz?
Darauf, dass wir in Frankfurt sowohl den Studierenden das Fach schmackhaft machen konnten und auch auf eine fundierte und breit gefächerte Weiterbildung besonderen Wert legten. Höchst beglückend, dass ich meine Begeisterung für die Feinheiten unseres vielseitigen Faches im Laufe der Jahre mit derart vielen jungen Kolleginnen und Kollegen teilen durfte und täglich vieles auch an praktischem Wissen weiter geben konnte.
Welcher Fall ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Als junger Chef wurde mir vom Dekan eine berühmte Persönlichkeit (die mir angeblich besonders zu vertrauen schien) mit der Bitte vorgestellt, ihn von einem Ganzkörper-Staging wegen V. a. Weichteilsarkom (radiologisch, rheumatologisch, orthopädisch) im Knöchelbereich zu überzeugen. Er konnte einerseits bei öffentlichen Auftritten seine eleganten italienischen Schuhe nicht mehr anziehen, hatte aber andererseits Panik vor den potenziell unheilvollen Untersuchungsergebnissen. Die beidseitige vergleichende Inspektion der entblößten Beine zeigte das typische Bild einer entzündlichen Phase der von meinem Vor-Vor-Vor-Vor-Vorgänger Karl Herxheimer beschriebenen Akrodermatitis. So hatte die einfache blickdiagnostische Inspektion genügt, ihm akut die Angst zu nehmen, abgesehen von einer Blutentnahme weitere unnötige apparative Diagnostik zu vermeiden und die richtige Therapie einzuleiten, sodass ihm seine Schuhe wieder passten.
Von wem haben Sie besonders viel gelernt?
Von den unbedarften Fragen aus dem Nachwuchs.
Was war der beste Rat, den Sie während Ihrer Karriere erhalten haben?
„Do not overhelp“. Stand in einem OP des Sydney Hospital, galt für mich aber als Leitspruch in übertragenem Sinne, sich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren.
Was ist momentan die wichtigste Entwicklung in der Dermatologie?
Die bahnbrechenden Innovationen in der medikamentösen Tumortherapie, aber auch die ungeahnten Mölgichkeiten zur Therapie verschiedenster entzündlicher Dermatosen, zuletzt allen voran die JAK-Inhibitoren
Wo sehen Sie die Zukunft der Dermatologie?
Würde man das Fach in Manier eines Unternehmensberaters einer SWOT-Analyse (Strength, Weakness, Opportunities, Threats) unterziehen, so liegt die Stärke auch weiterhin auf der besonderen Exklusivität des Fachwissens, wo uns keiner was vormacht. Die Schwäche ist die Angreifbarkeit im interdisziplinären Umfeld. Hier liegt es an uns, mit breit gefächerter Kompetenz Spezialgebiete zu behaupten. Die Chancen liegen mit den innovativen Therapien klar auf der Hand und die Herausforderungen sind eher politisch vorgezeichnet, den ambulanten Sektor im Rahmen der neuen Ansprüche an Arbeitszeitmodelle und Verantwortlichkeiten neu zu ordnen.
Was raten Sie jungen Kollegen?
Ihre Begeisterung und Empathie für die um Hilfe suchenden Patientinnen und Patienten zu bewahren und auch bei aller Spezialisierung gerade am Anfang der Weiterbildung für die Breite des Faches. Sich in erster Linie um die Anliegen kranker Menschen und nicht um das Anspruchsdenken gesunder Klienten zu kümmern.
Was machen Sie nach Feierabend als Erstes?
Mich freuen. Auf den Feierabend, auf das Wiedersehen mit meiner Frau, auf einen schönen Ausklang des Tages und auch darüber, dass ich in meiner jetzigen Lebensphase das tun kann, was ich möchte, aber auch das nicht wirklich muss.
Publication History
Article published online:
19 May 2025
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