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DOI: 10.1055/a-2493-0099
Die zerbrochene Teetasse



Vor einigen Jahren erzählte mir ein Kollege von einem Buch, dass von dem „LoLa-Prinzip“ handelte. Was für mich im ersten Moment eher nach dem Titel in einer Schlagerparade oder einer nicht ganz ernst gemeinten Managementmethode klang, entpuppte sich als eine interessante Betrachtung in Bezug auf den Umgang mit Veränderung: Das Prinzip des Loslassens.
Veränderungen finden sich überall in der Natur und liegen auch in der Natur menschlicher Erfahrungen. Allerdings – so wirklich mögen tun wir sie nicht. Schon gar nicht, wenn sie aus mehr oder weniger heiterem Himmel auf unsere Vorstellungen treffen, wie „die Welt“ zu sein hat. Das Streben nach einem Gefühl von Stabilität und Berechenbarkeit steht sowohl bei Menschen als auch bei Tieren in direktem Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach Sicherheit.
Bedürfnis vs. Realität?
Wir bemühen uns ein Gefühl von Stabilität aufzubauen, um uns davon zu überzeugen, dass wir das Leben weitgehend kontrollieren können – uns davon zu überzeugen, dass wir sicher sind. Dieses Gefühl kann so lange existieren, bis die Realität uns die Verletzlichkeit unserer Weltsicht vor Augen führt. Instabilität und Inkohärenz sind die Folgen und motivieren uns, ein Bild einer neuen Stabilität zu errichten, bis auch dieses der Realität weichen muss. Wie kann man klug mit diesem offenbaren Gegensatz von Bedürfnis und Realität umgehen?
Vielleicht hilft eine kleine Geschichte diesen scheinbar nicht lösbaren Widerspruch in einen anderen Rahmen zu setzten.
Buddha zeigte einst seinen Schülern eine wunderschöne Teetasse und betonte, wie sehr er diese Tasse mochte und wie viele schöne Erinnerungen mit dieser Tasse verbunden seien. Er beschrieb, wie wunderbar die Tasse in der Sonne glitzerte und wieviel Freude es ihm jedes Mal bereitet, aus dieser Tasse zu trinken. Dennoch wisse er, dass diese Teetasse bereits zerbrochen sei, da nichts im Leben von Dauer ist und auch diese Tasse irgendwann zerbrechen würde. Jeder Tag, an dem die Tasse unversehrt blieb, sei ein Geschenk. Würde die Tasse schließlich zerbrechen, hatte er dies schon längst akzeptiert – losgelassen.
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Akzeptieren und Loslassen
Auch wir arbeiten, um unsere Vorstellung von Gesundheit zu erhalten und zu verbessern, wohl wissend, dass wir auch diese Vorstellung irgendwann wieder loslassen müssen. Der klügste Weg scheint es, im Sinne dieser kleinen Parabel seinen Frieden mit der Realität zu schließen. Offen sein für Neues und Dinge loslassen können. Auf diese Weise gelingt es vielleicht immer öfter Unbeständigkeit als eine natürliche Gegebenheit zu akzeptieren und dafür alle Dinge umso mehr wertzuschätzen, solange sie unser Leben und unsere Arbeit begleiten.
Dr. Doris Timmann
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
17. März 2025
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