Notfallmedizin up2date 2025; 20(03): 293-314
DOI: 10.1055/a-2490-3512
Internistische Notfälle

Antikoagulation und Antidote

Ein Update in der Therapie der Blutungskomplikationen

Authors

  • Mira John

  • Toni Pätz

  • Sebastian Wolfrum

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Angesichts des demografischen Wandels ist davon auszugehen, dass Rettungsdienstmitarbeiter und Notaufnahmeteams zunehmend Patienten behandeln werden, die sich einer Antikoagulationstherapie unterziehen. Dieser Artikel bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der Entwicklung in der Prävention und Behandlung von Blutungskomplikationen bei Patienten unter oraler Antikoagulation.

Kernaussagen
  • Antikoagulation als Lebensretter: Antikoagulanzien sind essenziell zur Prävention und Behandlung thromboembolischer Erkrankungen, bergen aber ein erhöhtes Blutungsrisiko, insbesondere bei multimorbiden und älteren Patienten.

  • DOAKs als moderne Alternative: Direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) bieten gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (VKA) Vorteile wie vorhersehbare Wirkung, vereinfachte Dosierung und geringeres Blutungsrisiko – benötigen jedoch eine sorgfältige Patientenauswahl.

  • Blutungen als größte Herausforderung: Schwere Blutungen, vor allem im Gastrointestinaltrakt (30–50%) oder intrakraniell (10–25%), sind die häufigsten Komplikationen der Antikoagulation und erfordern ein schnelles, strukturiertes Management.

  • Spezifische Antidote verbessern die Sicherheit: Mit Idarucizumab für Dabigatran und Andexanet alfa für Faktor-Xa-Inhibitoren stehen gezielte Gegenmittel zur Verfügung, die bei schweren Blutungen oder Notfalleingriffen eingesetzt werden können.

  • Unspezifische Gerinnungsprodukte als Alternative: Prothrombinkomplexkonzentrate (PCC resp. PPSB) und Tranexamsäure sind wichtige Optionen, wenn spezifische Antidote fehlen oder nicht verfügbar sind.

  • Primärprävention als Schlüsselstrategie: Eine sorgfältige Patientenauswahl, die Überprüfung der Nierenfunktion und das Management von Begleiterkrankungen minimieren das Blutungsrisiko.

  • Notfallmanagement nach klaren Algorithmen: Standardisierte Behandlungsleitlinien, von präklinischer Versorgung bis zur klinischen Intervention, ermöglichen eine effektive und zielgerichtete Blutungskontrolle.

  • Faktor-XI-Inhibition als vielversprechender neuer Ansatz: Zukünftige Antikoagulanzien, die gezielt Faktor XI hemmen, könnten das Thromboserisiko senken, ohne das Blutungsrisiko stark zu erhöhen.

  • Thromboembolische Ereignisse nach Antidotgabe sind möglich: Nach Aufhebung der Antikoagulation mit spezifischen oder unspezifischen Antidoten besteht ein erhöhtes Risiko für erneute Thrombosen, sodass eine zeitnahe Re-Antikoagulation notwendig ist.

  • Die Nierenfunktion beeinflusst die DOAK-Dosierung: Da viele DOAKs renal eliminiert werden, müssen Dosisanpassungen bei eingeschränkter Nierenfunktion erfolgen, um Überdosierungen und Blutungen zu vermeiden.



Publication History

Article published online:
02 September 2025

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