Klinische Neurophysiologie 2025; 56(04): 279-281
DOI: 10.1055/a-2482-5625
In der Praxis

Neue Therapieoptionen bei neuromuskulären Erkrankungen – Teil 1

Authors

  • Andreas Funke

In den letzten Jahren haben sich für einige neuromuskuläre Erkrankungen neue Therapiemöglichkeiten ergeben. Die therapeutische Landschaft hat sich dadurch stark verändert. Die Rolle des Neurophysiologen und des Spezialisten für neuromuskuläre Erkrankungen beschränkt sich nicht mehr nur auf die hochspezialisierte Diagnostik, auch die Planung und Durchführung von Therapien nimmt einen immer größeren Teil in der Betreuung der Patienten ein. Da es sich dabei oft um innovative und kostenintensive Therapien handelt, kommt einer zuverlässigen, präzisen Diagnostik ein großer Stellenwert zu. Klinische und neurophysiologische Kriterien sind noch immer Standard in der Diagnostik neuromuskulärer Erkrankungen, was den Stellenwert der klassischen neurologischen Untersuchungstechniken unterstreicht, der bei anderen neurologischen Erkrankungen zugunsten der radiologischen Diagnostik und von Biomarkern eher in den Hintergrund getreten ist.

Da es sich hier um kostenintensive Therapien handelt, ist insbesondere bei Tätigkeit in der Niederlassung davon auszugehen, dass die Praxis schnell die durchschnittlichen Arzneimittelbudgets überschreiten wird und somit in den Fokus der Wirtschaftlichkeitsprüfstellen gerät. Bei Beachtung der spezifischen Zulassungen und Indikationen besteht i.d.R. keine relevante Regressgefahr und es sollte keine Praxis davon abhalten, diese Therapien anzubieten.

Es empfiehlt sich jedoch, die Praxis entsprechend als Schwerpunktpraxis für neuromuskuläre Erkrankungen zu positionieren. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Mitarbeit in einer neuromuskulären ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV). Hierbei besteht neben einer Zusammenarbeit mit Kliniken und anderen Fachärzten die Möglichkeit einer extrabudgetären Abrechnung der erbrachten Leistungen. Die Genehmigung einer ASV beinhaltet jedoch hohe administrative Hürden und Voraussetzungen, sodass sich für das Genehmigungsverfahren eine Zusammenarbeit mit einer Klinik mit neuromuskulärem Fokus anbietet. Neben entsprechenden Erfahrungen in der Beantragung einer ASV bestehen dort oft schon ambulante Versorgungsstrukturen, entweder im Rahmen sogenannter Ermächtigungssprechsstunden, aber auch in Form von sogenannten §116b-Ambulanzen, deren Nachfolger die ASV darstellt.

Da in der Diagnostik der hier besprochenen Erkrankungen häufig genetische Befunde, Laborbefunde aber auch Liquorparameter eine Rolle spielen, ist es überlegenswert, in der neurologischen Praxis neben neurophysiologischen Untersuchungen und Laboruntersuchungen auch Liquoruntersuchungen ambulant durchzuführen. Durch die Kostenträger ist in den letzten Jahren im Zuge der „Ambulantisierung“ die ambulante Durchführung von Liquoruntersuchungen durch fehlende Kostenübernahmen stationärer Liquoruntersuchungen eher forciert worden. Eine Voraussetzung für die Abrechnung der Lumbalpunktion ist eine Genehmigung zur Durchführung ambulanter Operationen durch die zuständige kassenärztliche Vereinigung. Diese Genehmigung mag für eine neurologische Praxis ein wenig übertrieben wirken, es handelt sich dabei jedoch i.d.R. um einen eher formalen Akt, da diagnostische Lumbalpunktionen als eher kleine operative Eingriffe zu werten sind. Prinzipiell besteht bei einigen neuromuskulären Erkrankungen auch die Möglichkeit einer intrathekalen Therapie. Auch diese kann ambulant durchgeführt werden, es sind jedoch erhöhte Anforderungen an die Durchführung der Lumbalpunktionen und die entsprechenden Hygienemaßnahmen notwendig, sodass dies wahrscheinlich in Zukunft eher spezialisierten Zentren vorbehalten bleibt. Da die Genehmigung bei den lokalen kassenärztlichen Vereinigungen liegt, bestehen hier regionale Unterschiede.

Im Folgenden werden die neuromuskulären Erkrankungen, bei denen es in den letzten Jahren Therapieänderungen gab, vorgestellt. Das Thema wird in zwei Artikeln behandelt werden, wobei im ersten Teil der Fokus auf den entzündlichen neuromuskulären Erkrankungen liegen wird, während im zweiten Teil genetische bzw. degenerative Veränderungen im Vordergrund stehen werden.



Publication History

Article published online:
01 December 2025

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