PiD - Psychotherapie im Dialog 2025; 26(02): 103
DOI: 10.1055/a-2420-4504
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Kamelrennen

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(Quelle: Bettina Wilms)

Es ist 5 Uhr am Morgen und es ist noch sehr dunkel. Was um alles in der Welt tun wir hier? Es gibt keinen vernünftigen Grund, morgens vor Sonnenaufgang in den Sand zu fahren – aber einen triftigen! Heute ist das Training der Kamele.

Als wir den Sammelplatz erreichen, kündigt sich der Tag an: Das Licht wird weich, bevor es später sehr hell und heiß werden wird. Immer mehr Kamele kommen mit ihren Führern herbei, sicher sind es schon mehr als hundert. Auf Nachfrage unseres Guides, ob es erlaubt ist, das Rennen im Auto zu verfolgen, werden wir freundlich dazu eingeladen und fahren die Strecke so im Auto mit, wie es die Besitzer und Trainer üblicherweise tun. Die Roboter-Jockeys werden von diesen beim Rennen ebenfalls aus dem Auto heraus gesteuert. Aber jetzt sind die Trainer mit Gruppen von Kamelen unterwegs; oft ein oder zwei Jungtiere mit einem Älteren. Auch wenn dies nur ein Trainingstag ist, so ist es doch unglaublich beeindruckend wie schnell sie sind – wer Kamele und ihre Art, sich fortzubewegen, mag, kommt hier voll auf seine Kosten.

Nach mehreren Runden, wieder am Sammelplatz, komme ich immer noch aus dem Staunen nicht heraus. Unerwartet wird unser Guide von einem Emirati angesprochen: Ob wir interessiert wären, seine Farm zu besichtigen. Er hätte neugeborene Kamele, die wir ansehen könnten. Unser Guide rät uns zuzusagen – so etwas sei auch ihm noch nicht angeboten worden.

Wenige Pistenkilometer entfernt finden wir uns in einer hügeligen Wüstenlandschaft wieder. Unser Gastgeber zeigt stolz seinen Besitz: In weitläufigen Gattern verteilt finden sich auf einem kaum überschaubaren Areal unglaublich viele Kamele; meist in Gruppen, die Mütter mit den neugeborenen und sehr kleinen Jungtieren separiert. Ich lerne, dass das neugeborene Kamelfell in kleine Löckchen gerollt ist, und stelle fest, dass auch bei mir aktiv nach Milch gesucht wird. Und natürlich darf ich auf einem der Tiere auch ein paar geführte Runden gehen.

Zum Abschluss unseres Besuches werden wir eingeladen, mit dem Gastgeber und seinen drei Neffen Tee zu trinken und zu essen. Dankbar nehmen wir bereitliegende Löffel zuhilfe. Die Gewandtheit, mithilfe von Fladenbrotstücken zivilisiert Nahrung zum Mund zu führen, fehlt uns eindeutig! Die Neffen müssten lernen, mit Besuchern umzugehen, wird uns erklärt, und so verhalten sie sich auch: Der Onkel führt das Gespräch, und unser Guide übersetzt. Als ich schließlich frage, ob er Kamele für Rennen verkaufe, ist die Antwort prompt: Nein, er verkaufe seine Kamele doch nicht! Er hoffe darauf, das beste Kamel zum Rennen bringen zu können!

Bettina Wilms, Querfurt



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
20. Mai 2025

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